Eine kleine Wochenschau | KW46-2021

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


15. November 2021, Berlin

Die Tochter hat ihre erste praktische Fahrstunde. Als sie nach Hause kommt, löchern wir sie, ob sie aufgeregt war, wo sie lang gefahren ist, ob viel los war, wie schnell sie gefahren ist und so weiter.

Den Sohn beschäftigt eine ganz andere Frage: „Hast du irgendwas kaputt gemacht?“

Als seine Schwester verneint, scheint er ein klein wenig enttäuscht zu sein.

16. November 2021, Berlin

Der Sohn bringt die Bilder vom Schulfotografen mit nach Hause. Auf dem Klassenfoto sieht die Hälfte der Jungs quasi identisch aus. Sie tragen alle die gleiche Frisur – an den Seiten und hinten sind die Haare kurz und auf dem Kopf sitzt ein Haufen Wolle, der so voluminös ist, dass er als eigene Lebensform gelten kann – und die Teenager-Coolness verbietet ihnen, irgendetwas anderes als einen maximal teilnahmslosen Gesichtsausdruck aufzusetzen.

Wie jedes Jahr gibt es außerdem noch unzählige, größtenteils unsinnige Porträtfotos. Alle mit dem gleichen Motiv – ein leicht spöttisch grinsender Sohn vor einer fleckigen Rückwand, so dass alle Fotos aussehen, als sei irgendetwas darauf ausgelaufen – in den unterschiedlichsten Formaten. Eigentlich ist lediglich das 13x18cm-Bild brauchbar. Da musst du nur noch einen hübschen Rahmen kaufen und schon hast du ein Weihnachtsgeschenk für die Großeltern.

Die 6x9cm- und den 9x13cm-Aufnahmen kannst du dagegen nicht aufhängen oder aufstellen, ohne deinem Kind zu signalisieren, „sorry, aber deinen Anblick ertrage ich nur im Kleinformat“. Zusätzlich gibt es noch vier Bewerbungsfotos, was bei mir die Frage aufwirft, „Wozu zur Hölle benötigen fünfzehnjährige Gymnasiast*innen Bewerbungsfotos?“ Die acht Klebefotos finde ich ebenfalls eher unnötig. Ich mag den Sohn zwar wirklich sehr, habe aber trotzdem kein Bedürfnis, sein Foto überall hinzupappen.

Die Krönung der unnützen Fotos ist aber das 18x24cm-Porträt, bei dem sich anscheinend der Praktikant mit Photoshop ausprobieren durfte, ohne jemals eine Einweisung in Photoshop erhalten zu haben. Über das Foto wurde ein Sepiafilter gelegt – warum? – und dann noch blaue, pinke und dunkelgelbe Kleckse hinzugefügt, so dass es aussieht, als hätte ein Einhorn mit Brechdurchfall sich auf das Bild übergeben.

Selbstverständlich nehmen wir trotzdem den kompletten Bilder-Satz. Vor allem, weil das Komplettpaket nur 23 Euro kostet, das Klassenfoto plus zwei Porträtbilder aber schon 24 Euro. Außerdem soll der Sohn nicht irgendwann therapeutisch aufarbeiten müssen, warum wir nur so wenige Fotos von ihm gekauft haben.

17. November 2021, Berlin

Heute ist Tag des hausgemachten Brots. Wer hätte gedacht, dass es sich nochmal auszahlt, dass im ersten Corona-Lockdown so fleißig Sauerteig angesetzt und Brot gebacken wurde.

18. November 2021, Berlin

Als ich morgens die Wohnung zum Laufen verlasse, treffe ich im Treppenhaus den Vierjährigen aus dem 5. Stock. Er hangelt sich gerade am Geländer entlang. Eine nicht wahnsinnig schnelle Art der Fortbewegung, aber eine, die auf jeden Fall mehr Spaß bringt als normales Treppenlaufen. (Zumindest, wenn du vier Jahre alt bist.)

Ich betreibe ein wenig Smalltalk mit ihm, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine Unterhaltung mit einem kleinen Kind meist ein guter Start in den Tag ist. „Bist du auf dem Weg zur Kita?“, frage ich. „Mmh“, antwortet der Kleine ein wenig einsilbig. Möglicherweise ist er der Meinung, dass eine Unterhaltung mit einem Erwachsenen eher kein guter Start in den Tag ist.

So leicht gebe ich nicht auf. Wo denn sein Papa und sein Bruder seien, will ich wissen. Die seien noch oben, erhalte ich als Antwort. „Sind das zwei Trödelliesen?“, frage ich. Der Kleine nickt. „Mein Bruder ist immer gaaaanz langsam“, erklärt er. Dabei rollt er mit den Augen, damit ich auch wirklich verstehe, dass sein großer Bruder die größte Trödelliese der Welt ist. „Ich bin immer schnell“, schiebt er noch hinterher.

Seine Aussage ist allerdings nur mäßig glaubwürdig. Am späten Nachmittag, wenn er von der Kita abgeholt wurde, braucht er immer fast eine Viertelstunde, um die Treppe hochzulaufen und jammert bei jeder Stufe, er sei so müde und könne unter gar keinen Umständen auch nur einen einzigen weiteren Schritt machen und sein Papa müsse ihn gefälligst tragen.

Für den Kleinen ist unser Gespräch beendet und er hangelt sich weiter das Geländer hinunter. Ich bin kurz versucht, es ihm nachzumachen, lasse es aber doch lieber bleiben. Ein kleines Kind, das am Treppengeländer entlangklettert strahlt Übermut, Freude und einen gewissen Freigeist aus. Ein mittevierzigjähriger, graubärtiger Mann, der das gleiche tut, gilt dagegen eher als „der Merkwürdige“, dessen Tablettendosierung mal wieder neu eingestellt werden sollte.

19. November 2021, Berlin

Heute ist internationaler Männertag. Im Gegensatz zum Weltmännertag von vorletzter Woche geht es diesmal nur am Rande um gesundheitliche Themen, sondern es soll auf Diskriminierungen aufmerksam gemacht werden, die Männern widerfahren. Nun möchte ich nicht ausschließen, dass es auch ein paar wenige Bereiche gibt, in denen Männer vielleicht benachteiligt sind, aber braucht es dafür wirklich einen ganzen Tag? Vielleicht hätte auch eine internationale Männerviertelstunde gereicht.

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Auf dem Heimweg von meiner morgendlichen Laufrunde sehe ich an einem Stromkasten einen großen Zettel mit der Aufschrift „Kanarienvogel zugeflogen”. Darunter steht eine Telefonnummer, unter der sich der Besitzer oder die Besitzerin melden kann.

Ob das wohl der gleiche Typ aufgehängt hat, dem im April schon einmal ein Kanarienvogel zugeflogen war? Da würde ich mich an seiner Stelle mal fragen, was mit meiner Bude nicht stimmt, dass Vögel andauernd denken, dass das eine adäquate Behausung für sie ist.

Oder ist es der gleiche Kanarienvogel und der ist jetzt schon wieder ausgebüxt? Dann würde ich mir als Besitzer Gedanken machen. Nicht nur, ob ich zu nachlässig bin, was das Verschließen von Käfigen und Fenstern angeht, sondern auch darüber, was für ein mieser Vogel-Host ich anscheinend bin. Ich meine, wie öde muss es dein Vogel bei dir finden und wie kacke muss ihm dein Futter schmecken, wenn er innerhalb von einem halben Jahr zweimal abhaut und lieber riskiert, gefressen zu werden und zu verhungern, als weiter bei dir abzuhängen?

20. November 2021, Berlin

Kurz nach halb neun klingelt unser Festnetz- Telefon. Eine ältere Dame beschwert sich bei mir, sie hätte gestern keine Tabletten erhalten und nun sei es schon 8.30 Uhr und es seien immer noch keine Tabletten da. Nur mit Mühe kann ich sie davon überzeugen, dass sie sich verwählt hat.

Wahrscheinlich wollte sie bei ihrer Apotheke anrufen. Oder bei ihrem Dealer, der endlich das verdammte Ecstasy bringen soll.

21. November 2021, Berlin

Nachdem wir letzte Woche die Weihnachtsbäckerei mit Christstollen eröffnet haben, backen wir heute die ersten Plätzchen. Traditionell starten wir jedes Jahr mit Butterplätzchen. Die bestehen, wie der Name vermuten lässt, zum größten Teil aus Butter, schmecken ein bisschen harmlos, aber irgendwie doch ziemlich lecker, was stark damit zusammenhängen dürfte, dass sie zum größten Teil aus Butter bestehen.

Obwohl ich sehr gerne Kuchen backen, bin ich kein großer Freund des Plätzchenbackens. Das ist mir alles zu kleinteilig und fummelig. Während meine Frau und die Kinder fleißig Teig ausrollen, Plätzchen ausstechen und verzieren, beschränke ich mich zum einen darauf, Bleche in den Ofen zu schieben und wieder rauszuholen, und zum anderen darauf, Teig zu naschen.

Damit nicht auffällt, dass ich eigentlich vollkommen nutzlos bin, sorge ich für stetigen Sektnachschub. Schön, wenn sich alle Familienmitglieder mit ihren jeweiligen Kompetenzen beim Plätzchenbacken einbringen.


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