25. November 2022, Berlin
Heute ist Black Friday. Das finde ich gut. Dann gibt es ab morgen keine Black-Friday-Werbung mehr. Stattdessen für die Cyber Week. Und für Nikolaus-Rabatte, verkaufsoffene Sonntage, Adventsangebote und Weihnachtsschnäppchen. Hauptsache wir kaufen, kaufen, kaufen. (Mit irgendetwas muss die innere Leere ja gefüllt werden.)
26. November 2022, Berlin
Am Montag werden zusätzliche Regale für das neue, frisch renovierte Arbeitszimmer geliefert. Ich nutze den bevorstehenden Umzug meines Arbeitsplatzes zum Ausmisten. Mir fällt ein alter Nawi-Test des Sohns in die Hände. 6. Klasse. Klima und Vegetation in Europa. Der Sohn hatte die volle Punktzahl erreicht. 1+. Sehr beeindruckend. Die Note, aber noch mehr, dass die Lehrerin seine Schrift entziffern konnte.
In einem Karton entdecke ich einen 50-Euro-Gutschein für einen Berliner Plattenladen. Ein Geschenk zu unserer Hochzeit. Wir haben 2016 geheiratet. Akribisch durchsuche ich alle anderen Umschläge und Karten in der Kiste. Meine Hoffnung, auf Geldscheine zu stoßen, erfüllt sich nicht.
In der obersten Schublade meines Schreibtischs finde ich doch noch zwei Banknoten. 50 dänische Kronen und 10 Schweizer Franken. Wenn ich das nächste Mal nach Dänemark oder in die Schweiz fahre, kann ich es krachen lassen.
In einer anderen Schublade liegen so viele Kästchen mit Musterbeutel-Klammern, als hätte ich eine exklusive, weltweit gültige Vertriebs Lizenz für Musterbeutel-Klammern. Interessanterweise habe ich keinen einzigen Umschlag, der mit Musterbeutel-Klammem verschlossen werden muss.
In den restlichen Schubladen stoße ich unter anderem auf zwei Taschenrechner, drei Locher, zwei Tacker, drei Schachteln mit jeweils 500 Büroklammern, sehr, sehr viele Kugelschreiberminen, einen einzelnen Kugelschreiber, in den die Minen nicht passen, eine Auswahl von Weihnachtskarten von sehr zweifelhafter Schönheit, einige CD-Rohlinge und allerlei anderen Kram.
Ich entsinne mich, wie ich, als ich das letzte Mal ausgemistet habe, irgendwann dachte: „Ach, das stört doch niemanden, wenn das in den Schubladen liegt.“ Da diese Einschätzung heute noch genauso viel Gültigkeit besitzt wie damals, beschließe ich, meine Aufräum-Aktion zu beenden.
27. November 2022, Berlin
Heute ist 1. Advent. Außer dem Stollen haben wir erst eine einzige Plätzchensorte gebacken. Choco Crossies. Die Lieblingssorte der Tochter, die wir ihr nach Carlow schicken.
Unser mangelhaftes Engagement in der Weihnachtsbäckerei liegt nicht nur daran, dass meine Frau gerade sehr viel an der Arbeit zu tun hat und ich mit dem Arbeitszimmer-Umzug beschäftigt bin. Wir haben gerade auch keinen Zugang zu unseren Plätzchendosen. Die liegen in einem abschließbaren Schrank, der dazugehörige Schlüssel befindet sich am Schlüsselbund der Tochter und diese sich bekanntermaßen in Irland.
Hört sich komisch an, aber die Erklärung ist sehr einfach. Ich arbeite schon seit vielen Jahren im Home Office. Gleichzeitig bin ich ein sehr undisziplinierter Mensch, was den Konsum von Süßigkeiten angeht. Deswegen haben wir so gut wie nie Süßigkeiten in der Wohnung. Denn wären welche da, wären sie schon wieder weg.
Die Kombination von Home Office und uneingeschränktem Zugang zu Weihnachtsplätzchen bei gleichzeitig unwilligem Geist und schwachem Fleisch hat sich daher als eher ungünstig erwiesen. Ungünstig für den Hosenbund, der zunehmend mehr zwickt, ungünstig für den morgendlichen Gang auf die Waage, der zunehmend unerfreulicher wird, sowie ungünstig für den Blick in den Spiegel, aus dem dich ein zunehmend hüftspeckigeres Moppelchen anglotzt.
Daher hatte ich vor ein paar Jahren die Idee, die Dosen mit dem Weihnachtsgebäck in dem besagten abschließbaren Schrank aufzubewahren und der Tochter den Schlüssel zur Verwahrung anzuvertrauen. Diese war den größten Teil des Tages in der Schule, was meinen Zugriff auf Vanillekipferl, Kokosmakronen, Dominosteine und Co. verhinderte. Gut, ich hätte den Schrank mit Hilfe von Büroklammern und einer Nagelpfeile aufknacken können, aber so zügellos ist mein Verlangen nach Süßem dann doch nicht.
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An der Weihnachtsbäckerei hapert es zwar noch ein wenig, aber dafür war meine Frau so umsichtig, eine Box mit Süßigkeiten zu bestellen, um die Adventskalender der Kinder zu befüllen. Die Box ist allerdings bereits am Dienstag angekommen. Falls Sie eben aufmerksam gelesen haben, wissen Sie, was das bedeutet: Damit die Kinder nicht nur jeden zweiten Tag ein Adventsleckerli haben, muss ich morgen ein paar Süßigkeiten nachkaufen.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)