Eine kleine Wochenschau | KW47/2024 (Teil 2)

Teil 1


22. November 2024, Berlin

Auf dem Bürgersteig kommt mir ein Mädchen auf dem Fahrrad entgegen. Die Kleine hebt die Füße von den Pedalen und ruft: „Hui!“ Dann dreht sie sich zu ihrem Papa um und fragt: „Kannst du das auch?“ Der antwortet: „Klar“ und fährt ebenfalls ein Stück freifüßig.

Lustig wäre gewesen, er hätte das Gleichgewicht verloren und wäre umgekippt. Passiert aber nicht, denn das Leben hat keinen Sinn für Pointen. Im Gegensatz zu mir. Trotzdem schubse ich den Mann nicht vom Rad.

23. November 2024, Berlin

Meine Frau war gestern Abend mit Kolleg*innen weg und kam erst spät zurück. Oder früh, je nach Perspektive.

Dennoch hat sie nachmittags unnormal viel Energie. So viel Energie, dass sie heute schon den Flur weihnachtlich schmücken will. Und so viel Energie, dass ich sie argumentativ nicht davon überzeugen kann, dass das viel zu früh ist. Weihnachten kommt erst am ersten Adventswochenende vom Schrank runter. Das weiß man doch.

Was käme dann als nächstes, frage ich sie. Holen wir vielleicht im Januar den Osterschmuck raus? Meine Frau lacht, als hätte ich einen Witz gemacht. Ich glaube, einer ihrer fünf Gin & Tonic war schlecht.

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Wir statten dem Sohn abends einen Überraschungsbesuch im Brauhaus ab, wo er arbeitet. Da dort am Wochenende immer viel Betrieb herrscht, haben wir online einen Tisch reserviert. Unter falschem Namen, damit die Überraschung tatsächlich gelingt.

Meine Frau fragte mich, ob ich mir den auch merken könne. Ich erwiderte das mit einem verächtlichen „Na klar doch“, bei dem ein leicht beleidigtes „Ich ja nicht doof“ mitschwang. Nun sitze ich auf dem Rad und versuche mich auf dem Weg zum Brauhaus krampfhaft daran zu erinnern, unter welchem Namen ich die Reservierung vorgenommen habe.

Der Sohn schaut sehr überrascht, als wir das Lokal betreten, scheint sich aber zu freuen. Vielleicht hat er als Kellner einfach diese gespielte Freundlichkeit perfektioniert, mit der du deine Trinkgeldchancen erhöhst. Unser Tisch gehört zu seiner Station, so dass er uns bedienen muss. Fast wie zuhause, nur umgekehrt.

Später kommt sein Chef zu uns und äußert sich sehr löblich über den Sohn. (Fleißig, freundlich, loyal) Sowas hörst du als Eltern selbstverständlich gerne.

Dann lässt er sich ausführlich über die Vorzüge des Kellnerns aus. (Wertvolle soziale Erfahrungen, immer gute Jobaussichten, steuerfreies Trinkgeld) Dabei redet er mit so viel Begeisterung und Leidenschaft, als wolle er uns davon überzeugen, bei ihm anzufangen. Ich überlege noch.

24. November 2024, Berlin

Das Marketing Südtirol Team schreibt mir eine Mail. Einer ihrer Kunden, ein Hotelier, dem Hunde sehr am Herzen liegen und bei dem die Vierbeiner herzlich willkommen sind, sei an einer Zusammenarbeit interessiert. Dafür qualifiziere ich mich, weil ich „viele hochwertige Inhalte rund um das Thema Hund“ bereitstelle.

Meine Hunde-Postings beschränken sich eigentlich auf unser kürzliches Merle-Dogsitting, einen wenig furchteinflößenden kleinen Kläffer, einen obskuren Corgi-Dackel-Mischling sowie diversen Hundebegegnungen beim Laufen, wobei ich mich meistens frage, ob ich mich besser durch einen Sprung in die Spree rette oder indem ich auf einen Baum klettere. Angesichts dieser Beiträge frage ich mich, was dann wohl minderwertige Inhalte rund um das Thema Hund sind.

Die Kooperation stellt sich das Marketing Südtirol Team folgendermaßen vor: Ich verlinke zu einem Artikel des Hoteliers, was dessen Suchmaschinenranking verbessert, im Gegenzug verweise er auf meinen Blog, was sich wiederum positiv auf meine Sichtbarkeit auswirke. Das Beste daran: Es sei kostenlos und im Handumdrehen erledigt.

Trotz dieser unschlagbaren Argumente verzichte ich auf das Angebot und lösche die Mail.


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