Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
02. Dezember 2024, Berlin
Die Black Week ist rum, dafür ist heute Cyber Monday. Deswegen weiter Insta-Werbung noch und nöcher. Ich bekomme ein Angebot von Masterclass eingespielt. Für den Kurs: „Connect with anyone. Learn CIA-proven tactics to build better relationships.”
So gut kennt mich der Algorithmus doch nicht. Ich möchte keine „better relationships“ bilden. Im Gegenteil. An einem Kurs: „Avoid everybody. Learn CIA-proven tactics to go into hiding” wäre ich mehr interessiert.
Nach unserer James-Bond-Retrospektive der letzten Wochen steht uns eine neue cineastische Herausforderung bevor: Bis Heiligabend schauen wir ausschließlich Weihnachtsfilme und -serien. Von Klassikern über moderne Klassiker, Komödien, Romanzen, Familiengeschichten bis hin zu schlimmsten Hallmark-Movies, bei denen von Plot über Dialoge und schauspielerischen Leistung bis hin zur Kulisse alles zu wünschen übrig lässt.
In letztere Kategorie fällt unser gestriger Auftakt: „The Merry Gentlemen“. Eine Broadway-Tänzerin, kehrt in ihr Heimatsstädtchen zurück, wo sie den darniederliegenden Nachtclub ihrer Eltern retten will und zwar durch eine weihnachtliche Tanzrevue mit halbnackerten Männern. Ich denke, ich verrate nicht zu viel, wenn ich hier schreibe, dass sich die Tanzrevue-Organisatorin und einer der Tänzer näher kommen, sie ein Angebot an den Broadway zurückzukehren letztendlich ausschlägt – alles für die Liebe – und die Bar gerettet wird. Zumindest warten die Tänzer mit beneidenswert durchtrainierten Oberkörper auf, die sie ausgiebig zur Schau stellen. (Wozu bräuchte man sonst eine Tanzrevue mit halbnackerten Männern?)
Für die nächsten Abenden ist definitiv noch Luft nach oben. Wobei ich nicht ausschließen möchte, dass wir in den nächsten Wochen noch schlechtere Filme sehen werden. (Looking at you, „Das perfekte Weihnachtsdinner“ vom letzten Jahr!) Deswegen gibt es als Bewertung einen von fünf Dominosteinen.
Im heutigen Film. „Our little secret“, immerhin auf Platz acht der Netflix-Film-Charts, verbringt Avery, gespielt von Lindsay Lohan, das Weihnachtsfest bei der Familie ihres Freundes, dessen Mutter sie genauso wenig mag wie der Hund. Dort taucht auch noch ihr Ex auf, der jetzt mit der Schwester ihres Freundes zusammen ist, aber die beiden beschließen, aus welchen Gründen auch immer, ihre frühere Beziehung zu verheimlichen.
Falls Sie vermuten, Avery und der Ex kommen nach einigen Irrungen und Wirrungen wieder zusammen, liegen Sie damit nicht komplett falsch. Beziehungsweise komplett richtig. Der Film ist ganz okay, allerdings sollte Lindsay Lohan im nächsten Jahr nicht unbedingt mit dem Oscar als beste Hauptdarstellerin rechnen. Alles in allem lieb gemeinte zweieinhalb Dominosteine.
03. Dezember 2024, Berlin
„Komm mal her und schau in mein Handy“, ruft meine Frau durch die Wohnung. Als braver Gatte gehe ich zu ihr in die Küche und tue, wie mir geheißen. Sie probiert gerade einen Senioren-Filter aus, so dass mich ein circa 90-jähriger yodaesker Greis auf dem Display anschaut. Mit schlohweißem Haar und Bart, faltiger, schlaffer Haut und milchigem Blick.
„Krass“, kommentiert meine Frau das Ergebnis. „Ich sehe aus wie meine Oma und bei dir ist so gut wie kein Unterschied zu erkennen.“ Eine für mich eher irritierende Aussage. Ich denke, es würde nicht schaden, wenn sie in naher Zukunft zum Augenarzt geht, um ihre offenkundig hochgradige Fehlsichtigkeit behandeln zu lassen.
Oder ich habe ein stark verzerrtes Selbstbild und ich sehe dem Handy-Tattergreis ähnlicher, als ich wahrhaben will.
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Nächste Weihnachtsfilm-Runde: „Meet me next Christmas“ (Platz 3 der Netflix-Charts) Die romantische Layla versucht kurz vor Weihnachten an ein Ticket für das ausverkaufte Konzert der a-capella Gruppe Pentatonix zu kommen, wo sie den attraktiven James wieder treffen will, mit dem sie ein Jahr zuvor in einer Flughafen-Lounge ein paar kurze, aber umso magischere Stunden verbracht hat. (Nicht ganz so magisch, wie Sie vielleicht gerade denken.) Unterstützung erhält sie von dem schüchternen Teddy, einem Angestellten einer Concierge-Agentur, der sich mächtig ins Zeug legt, damit Layla an die ersehnte Eintrittskarte kommt.
Wenn Sie auf ein Happy End von Layla und James spekulieren, haben Sie noch nie einen romantischen Weihnachtsfilm gesehen. Um es in Anlehnung an Bill Clinton zu sagen: „It’s Teddy, stupid!“ (Of course, it is.) Der Film fängt zwar unangenehm hallmarkig an, nimmt dann aber erheblich an Fahrt auf. Dafür gibt es wohlwollende drei Dominosteine.
04. Dezember 2024, Berlin
Spotify veröffentlicht seinen Jahresrückblick. Meiner sieht aus wie eine Kölsche Karnevalskneipe, in der sich Fortuna Ehrenfeld und Danger Dan verirrt haben.
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Heutiger Weihnachtsfilm: „Hot Frosty“. Die jung verwitwete Diner-Besitzerin Kathy erweckt einen gut gebauten Schneemann zum Leben, der sich in den noch besser gebauten Jack verwandelt. Zu Niemandes Überraschung entwickelt sich zwischen den beiden eine Romanze, die zu Jedermanns Erwartung in einem glücklichen Ende kulminiert.
Der Film fängt wie ein Hallmark-Movie aus der untersten Schublade an, wird jedoch durch die Town-Sheriffs, gespielt von den Brooklyn 99-Stars Craig Robinson („Doug Judy“) und Joe Lo Troglio („Charles Boyle“), noch einigermaßen erträglich. Daher recht es noch zu zweieinhalb Dominosteinen.
05. Dezember 2024, Berlin
Bei unserem Weihnachtsfilm-Festival steht heute „Genie“ auf dem Programm. („Genie“ im Sinne von Flaschengeist, nicht von super kluger Mensch.) Der Workaholic Bernards vernachlässigt seine Familie und verpasst sogar den Geburtstag seiner Tocher, weswegen sich seine Frau kurz vor Weihnachten von ihm trennt. Mit Hilfe eines Geistes, verkörpert durch Melissa McCarthy, versucht er seine Familie zurückzugewinnen.
Falls Sie vermuten, dass sich nun wie bei „Meet me next Christmas“ Bernard und Melissa McCarthy im Zuge ihres gemeinsamen Projektes ineinander verlieben, muss ich Sie enttäuschen. Der Film ist sicherlich nicht Weltklasse, aber für Melissa McCarthy gibt es drei Dominosteine.
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Nach dem Film muss ich mich noch Nikolausgeschenke verteilen. In unserer Hausgemeinschaft pflegen wir seit Jahren zu Ostern und Nikolaus die Tradition, gegenseitig den Kindern Süßigkeiten vor die Tür zu stellen. Mittlerweile ist das etwas aus dem Ruder gelaufen und auf den Etagen steht so viel Süßkram rum, dass der echte Nikolaus da gar nicht mehr durchkäme. Muss er aber auch nicht, denn darum kümmern wir uns ja alle gemeinschaftlich.
Normalerweise würde ich diese Aufgabe dem Sohn aufdrücken – wofür hat man schließlich große Kinder? –, aber der muss heute arbeiten. Wenigstens habe ich Glück, dass niemand plötzlich die Tür öffnet, während ich die Nikolaussachen ablege. Wir kennen uns hier zwar alle, aber wenn du als graubärtiger Endvierziger dabei überrascht wirst, wie du Schokolade und Nüsse in Kinderschuhe stopfst, kommst du vielleicht doch in Erklärungsnot.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)