Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
13. Dezember 2021, Berlin
Der Sohn ist heute früh schwer von seinem gestrigen Judo-Turnier gezeichnet. Unter dem linken Auge ist ein blauer Fleck, neben dem rechten eine Schramme, die Lippe ist angeschlagen, auf der Stirn hat er eine Beule und ein paar weitere Kratzer zieren sein Gesicht. Kurzum, er sieht aus, als sei er gegen einen Bus gelaufen. Oder als hätte er mit den Klitschko-Brüdern geboxt. Oder als hätten ihn die Klitschko-Brüder gegen einen Bus geworfen.
Vielleicht sollte er heute den ganzen Tag seine Medaille, die er gewonnen hat, tragen, damit uns die Lehrer:innen nicht zum nächsten Elternsprechtag einladen und unangenehmen Fragen zu unseren Erziehungsmethoden stellen.
14. Dezember 2021, Berlin
Ich habe eine Lösung für das Problem meiner zu weiten und ständig rutschenden Laufhosen gefunden. Selbstverständlich nicht, indem ich mir ein neues Paar Hosen gekauft oder die alten zur Änderungsschneiderei gebracht habe. Das wäre viel zu naheliegend gewesen.
Nein, der Sohn hat glücklicherweise noch zwei Sport-Leggings, aus denen er herausgewachsen ist und die ich nun tragen kann. Zugegebenermaßen ist es nicht ganz ideal, hautenge Hosen anzuziehen, die deinem Sohn, der etwas kleiner ist als du, nicht mehr passen. Insbesondere in der Vorweihnachtszeit, wo du das ein oder andere Kilo von deiner Idealfigur entfernt bist. Ich sehe in den Leggings aus wie ein presswurstartiger, in die Jahre gekommener Balletttänzer, der seine beste Zeit definitiv hinter sich hat. (Und noch wahrscheinlicher nie eine hatte.)
Somit stellt mein Anblick beim Laufen wahrscheinlich immer noch eine Erregung öffentlichen Ärgernisses dar. Aber wenigstens keine sexuelle Belästigung mehr. Eher ein natürliches Verhütungsmittel. Wer mich sieht, wie ich in den zu engen Höschen durch den Schlosspark laufe, vergeht für die nächsten Jahre ganz gewiss jegliches Interesse an sexueller Aktivität jedweder Art.
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Die Tochter und ich durchforsten gemeinsam schwedische Wohnungsbörsen auf der Suche nach einem Zimmer in Stockholm. Da die Anzeigen offenkundig auf Schwedisch sind, lassen wir sie uns von Google übersetzen. Hier ein paar der schönsten Übersetzungs-Stilblüten:
„Ich suche eine ordentliche Person mit einer ausgeglichenen Wirtschaft.“
„Ich bin mit der Reinigung halb vorsichtig, denke aber, dass es einigermaßen sauber sein sollte.“
„Es ist wichtig zu vereinbaren, wann Sie frühestens morgens und spätestens abends tönen können.“
„Es gibt mehrere Familien im Haus, die kleine Kinder haben und daher ist es gut, dass Sie an Klang gewöhnt sind.“
„Wir sortieren unsere Suppen an der Quelle und es ist gut, wenn Sie eine umweltfreundliche Einstellung haben.“
15. Dezember 2021, Berlin
Die Tochter bereitet eine Mail vor, um die Vermieter:innen auf der schwedischen Wohnungsplattform anzuschreiben. Ich helfe ihr dabei, denn wir alle kennen ja aus miesen Bewerbungsratgebern die abgedroschene, aber dennoch nicht falsche Floskel: „You never get a second chance to make a first impression!“
Damit die Tochter wie die ideale Wunsch-Untermieterin klingt, die des zügellosen Partymachens und des ausufernden Drogenkonsums unverdächtig ist, aber gleichzeitig nicht wie ein von krankhafter Schüchternheit geplagtes Mauerblümchen wirkt, die den Mund nicht aufbekommt und bei der, sobald sie angesprochen wird, monsunartige Schweißausbrüche auftreten, spitze ich ihr Anschreiben etwas zu. Ich ergänze ein paar Halbsätze, füge einige Worte hinzu und schmücke ein paar Informationen dezent aus. Endlich zahlt sich meine Arbeit als Kommunikationsberater mal ganz praktisch aus.
Bevor ich mich an meiner Begeisterung über mich selbst berausche, sollte ich aber vielleicht erstmal abwarten, was für Antworten sie bekommt. Oder ob überhaupt jemand antwortet.
16. Dezember 2021, Berlin
Es gibt auch positive Corona-News. Zumindest aus Neuseeland. Dort hat Premierministerin Jacinda Arden in einem TV-Interview bestätigt, dass nach Beendigung des Lockdowns in Auckland, Orgien mit bis zu 25 Personen erlaubt seien.
Vielleicht kann das Konzept für Deutschland adaptiert werden, um Impfskeptiker zu überzeugen: Wenn die Impfquote über 90 Prozent liegt, lädt Karl Lauterbach persönlich zum Tag der offenen Tür im Swinger-Club ein.
17. Dezember 2021, Berlin
Meine Frau und ich gehen los, einen Weihnachtsbaum kaufen. Gleich der erste Baum, den wir anschauen ist ein Prachtexemplar: Er hat eine stattliche Größe, ist dicht bewachsen und von vollkommen gleichmäßigem Wuchs. Ein makelloser Vorzeige-Bilderbuch-Weihnachtsbaum!
Das einzige Problem: Er kostet 150 Euro. So stattlich ist die Größe dann doch nicht, der Bewuchs gar nicht so dicht und die Form auch nicht wirklich ganz vollkommen gleichmäßig. Außerdem, wer will sich schon durch den Kauf eines makellosen Vorzeige-Bilderbuch-Weihnachtsbaums toxischen Perfektions- und Schönheitsidealen unterwerfen.
Insbesondere zu Weihnachten sollten wir doch ein Herz für die Gescheiterten, für die Außenseiter und für die Unperfekten haben. Da ist es geradezu ein Akt der Barmherzigkeit und der Nächstenliebe, einen Baum mit etwas schiefer Spitze, mit ungleichmäßig langen Zweigen und der ein oder anderen lichten Stelle zu kaufen. Vor allem, wenn er nur die Hälfte kostet.
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Heute sind endlich unsere Weihnachtskarten angekommen und ich kann mich um die Erledigung der Weihnachtspost kümmern. Ein Vorhaben, das schwieriger in die Tat umzusetzen ist, als es klingt. Gleich bei der ersten Karte verschreibe ich mich im vierten Absatz und als ich sie neu schreibe, mache ich den gleichen Fehler noch einmal.
Nach ungefähr zehn Karten stelle ich dann fest, dass „Bilderdruckpapier glanz“ zwar eine kostengünstige, aber was die Saugfähigkeit betrifft keine optimale Materialwahl darstellt. Die Fineliner-Tinte haftet nicht richtig und alle Karten sind so verschmiert als hätte sie ein feinmotorisch minderbegabter, linkshändischer Erstklässler geschrieben.
Ich muss alle Karten noch einmal neu mit Kugelschreiber schreiben. Das macht nicht nur zusätzliche Arbeit, sondern sieht auch hässlich aus. Nun halten mich die Weihnachtspost-Empfänger:innen sicherlich für einen ungehobelten Banausen, der nicht weiß, dass mit Kugelschreiber beschriftete Weihnachtskarten vollkommen stillos sind. Da wäre es ihnen wahrscheinlich lieber, eine Karte eines feinmotorisch minderbegabten, linkshändischen Erstklässlers zu bekommen.
18. Dezember 2021, Berlin
Habe heute meine Booster-Impfung. Im Impfzentrum an der Messe, wo auch die Kinder im Sommer geimpft wurden. Die Warteschlange ist mit gut 250 Metern zwar ziemlich lang, aber es dauert insgesamt trotzdem nur etwas mehr als eine halbe Stunde, bis ich wieder draußen bin.
Auch den Termin zu bekommen, war recht einfach. Ich konnte ihn sogar kurzfristig von Anfang Januar auf heute vorverlegen. Wer auch immer für die Durchführung der Impfkampagne in Berlin zuständig ist, macht anscheinend einen ziemlich guten Job. Vor allem für Berliner Verhältnisse. (Vielleicht sollte diese Person die nächsten Wahlen in Berlin organisieren.)
Nachdem ich bei der Erst-Impfung AstraZeneca und bei der Zweit-Impfung Biontech bekommen habe, gibt es diesmal Moderna für mich. Wenn irgendwann demnächst der Totimpfstoff zugelassen wird, lasse ich mir den auch spritzen, dann kann mir nichts mehr passieren. Um ganz sicher zu gehen, nehme ich vielleicht noch dieses Pferde-Entwurmungsmittel.
19. Dezember 2021, Berlin
Schaue meine Jahres-To-Do-Liste für 2021 an. Dinge, die ich nicht geschafft habe:
- Küche renovieren
- Keller aufräumen
- Unterhosen kaufen
Nun gut, in einem anstrengenden Pandemie-Jahr kannst du auch nicht jedes Großprojekt in Angriff nehmen.
Aber ein paar Sachen auf der Liste konnte ich doch abhaken. Ich war immerhin zum Hautscreening beim Dermatologen und zur Prostata-Untersuchung beim Urologen. Letzterer wäre vielleicht froh gewesen, wenn ich das „Unterhosen-Projekt“ doch erledigt hätte.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Ich bin sehr glücklich, dass Sie so fleißig sind und ein so großes Durchhaltevermögen besitzen. Ich freue mich jede Woche auf die kleine Wochenschau wie Bolle.
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein wunderschönes Weihnachtsfest und ein paar entspannte Feiertage.
Vielen Dank. Ich wünsche Ihnen ebenfalls fröhliche Weihnachten und erholsame Feiertage.
150€ für einen Weihnachtsbaum? Die Hälfte für einen schiefen?
Entweder habe ich die Preisentwicklung der letzten Jahre nicht ganz mitbekommen oder ich habe mal wieder einen Grund zu glauben, dass die Lebensverhältnisse von Land zu Stadt gar nicht so ungleichwertig sind.