Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
09. Dezember 2024, Berlin
Heute ist Welt-Anti-Korruptionstag. Den nehme ich das erste Mal bewusst wahr. Weil meine Frau letzte Woche am ersten Tag der Adventskalender-Verlosung im Ministerium gezogen wurde. Die potenziellen Gewinne: Geschenke, die Ministeriums-Mitarbeitende nicht annehmen durften, weil sie über der 10-Euro-Compliance-Grenze lagen. Stattdessen mussten sie im Korruptions-Referat abgegeben werden. (Meine Frau nennt das Referat so. Ich glaube aber, das heißt eher Anti-Korruptions-Referat oder so ähnlich.)
Die gesetzesnonkonformen Präsente werden nicht vernichtet, sondern zum Jahresende verlost. Mir scheint, dass dieses Vorgehen, die Grenzen der Regeln zur Verhinderung von Vorteilsannahmen bis aufs Äußerste ausreizen. (Oder wie es bei Japser Ffordes „Shades of Grey“ heißt: „loopholery at its best“.
Meine Frau wusste zunächst nicht, was sie gewonnen hatte. Ihren Preis bekam sie nach ein paar Tagen per Hauspost zugestellt. So lange durfte sie auf eine goldene Uhr hoffen, die möglicherweise der Ministerin überreicht worden war. Der Gewinn entpuppte sich dann als weniger glamourös und noch weniger luxuriös: Es war eine 0,3-Liter-Trinkflasche. Oder wie ihr Kollege sagte: „Wer zur Hölle gibt so etwas im Korruptionsreferat ab?“
Unser heutiger Weihnachtsfilm ist „Alle Jahre wieder. Weihnachten mit den Coopers“ von 2015. Bei Sam und Charlotte Cooper versammelt sich wie jedes Jahr die gesamte Familie, um gemeinsam die Feiertage zu verbringen, aber familiäre Konflikte und Geheimnisse bedrohen die weihnachtliche Idylle.
Der Episodenfilm wartet mit einem Staraufgebot von Diane Keaton über Jon Goodman, Anthony Mackie, Timothy Chalamet, Amanda Seyfried, Alan Arkin und vielen mehr auf. Das ist einerseits ein großartiges Ensemble, andererseits sind es jedoch fast schon zu viele Charaktere und Geschichten.
Trotzdem ist das alles sehr sehenswert. Ein bisschen lustig, ein bisschen romantisch, ein bisschen traurig, ein bisschen dramatisch, ein bisschen weise, ein bisschen versöhnlich und ein bisschen besinnlich. Von nichts zu viel, sondern alles wohl dosiert. Außerdem gibt es zum Schluss eine wunderbare Szene, in der alle zusammen tanzen. Unchoreographiert, linkisch und mit sehr hohem Identifikationspotenzial. Dafür gibt es insgesamt vier von fünf Dominosteinen.
10. Dezember 2024, Berlin
Ich bin schon den ganzen Vormittag angespannt, unausgeglichen und leicht gereizt. Nicht die allerbesten Voraussetzungen, um einkaufen zu gehen.
An der Kasse bei Penny steht hinter mir eine ältere Frau, die unablässig vor sich hinmurmelt. Ich habe keine Ahnung, was sie hat oder ob sie etwas von mir will und ihr Gebrabbel macht mich nervös. Umdrehen möchte ich mich aber lieber nicht, denn das könnte eine soziale Interaktion nach sich ziehen, zu der ich mich nicht in der Lage fühle Ich muss schon all meine Energie aufbringen, um gleich mit der Kassiererin eine den sozialen Einkaufs-Konventionen entsprechende Unterhaltung zu führen.
Auf dem Heimweg zieht ein Autofahrer beim Rechtsabbiegen durch, obwohl die Fußgänger-Ampel grün ist und ich die Straße schon halb überquert habe. Ich verzichte darauf, dem Typ ein paar unflätige Verwünschungen hinterher zu rufen, sondern schaue ihm lediglich mit meinem WTF-Gesichtsausdruck hinterher, was ich persönlich als friedensnobelpreisverdächtig empfinde. Im Gegensatz zu den Gewaltphantasien in meinem Kopf, in denen ein Vorschlaghammer eine entscheidende Rolle spielt und an deren Ende das Auto ein Totalschaden ist.
Fröhöhöliche Weihnachtszeit überall.
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Wir setzen unsere Weihnachtsfilmreihe mit „Love hard“ fort. Die Kolumnistin Natalie, die in Los Angeles lebt, verliebt sich über eine Dating-App in Josh und stattet ihm zu Weihnachten einen Überraschungsbesuch in Lake Placid ab. Dort muss sie feststellen, dass er das Bild des attraktiven Tags benutzt hat, um sein Profil aufzumotzen. Josh versucht sie zu beruhigen, indem er verspricht, sie mit Tag zusammenzubringen, wenn sie sich im Gegenzug bis Weihnachten bei seiner Familie als seine Freundin ausgibt.
Sie ahnen möglicherweise, wie das ausgeht und wer mit wem zusammenkommt. (Spoiler Alert: Es sind nicht Josh und Tag.) Trotz der Vorhersehbarkeit der Storyline macht der Film Spaß, die Dialoge sind gut, die Comedy-Elemente ebenso und obendrein gibt es eine zeitgemäße Neuinterpretation des aus heutiger – und wahrscheinlich auch damaligen – Sicht mehr als fragwürdigen Weihnachtsklassiker „Baby, it’s cold outside“. Das Fazit: vier Dominosteine.
11. Dezember 2024, Berlin
Instagram zeigt mir in der Frühe als erstes einen Beitrag, in dem eine junge Frau in Sportbekleidung in die Kamera fragt: „Are you over 50 and not focussing on mobility training?“ Beides kann ich mit ja beantworten. (Verdammt, der Werbealgorithmus ist gut.)
Danach erklärt sie, 30 Prozent aller über 65- jährigen, die sich die Hüfte brechen, würden innerhalb eines Jahres versterben. Was will mir der Algorithmus damit sagen? Dass ich unbeweglich wie ein Stock bin, mir deswegen in fünfzehn Jahren die Hüfte brechen werde, was mit einer 30-prozentigen Wahrscheinlichkeit mein Todesurteil bedeutet?
Schön, wenn der Tag lebensbejahend und optimistisch anfängt.
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Abends „Jingle Jangle – a Christmas Journey“. Der verbitterte Spielzeughersteller Jeronicus Jangle, einst der größte Erfinder aller Zeiten, bis sein Lehrling Gustafson ihn vor 30 Jahren hinterging, findet durch seine Enkelin Journey neuen Lebensmut und gemeinsam verteidigen sie eine geniale Erfindung, den Roboter Buddy 3.000, gegen Gustafson. Selbstverständlich mit Erfolg, schließlich ist das ein Weihnachtsfilm und an Weihnachten wird alles gut.
Der Musical-Film, der recht akkurat als eine Mischung aus „Greatest Showman“ und „Charlie ‘s Chocolate Factory“ beschrieben wird, punktet mit farbenfrohen Kostümen, liebevoll detaillierten Kulissen und fulminanten Choreographien. Die Geschichte selbst ist allerdings nicht übermäßig aufregend und für meinen Geschmack wird etwas zu viel gesungen. Kann man schauen, muss man aber nicht. Von daher drei Dominosteine.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)