¡Hola España! – Barcelona (1) (05.09.): Immer geradeaus

Der alljährliche Urlaubsblog. Aus Spanien. Nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Falls Sie, aus welchen Gründen auch immer, alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs lesen möchten, werden Sie hier fündig.

6.45 Uhr. Die sphärischen Klänge meines Handyweckers beenden die Nacht in unserem Low-Budget-Hotel in Avignon. Habe geschlafen wie ein Stein und fühle ich mich auch so: schwer, steif und unfähig, mich zu bewegen.

Die Dusche wartet dafür mit erfreulich ordentlichem Wasserdruck auf. Nicht zu doll, dass dir die Haut vom Leib gekärchert wird, aber auch nicht zu lasch, dass du dreißig Minuten benötigst, um dir Shampoo und Seife von Kopf und Körper zu spülen.

Weil ich zu faul bin, mein Duschgel zu suchen, benutze ich die All-in-one-Allzweckwaffe, die in der Dusche hängt. Was genau da drin ist, kann ich ohne Brille nicht lesen. Vielleicht auch besser. Wahrscheinlich ein Körperpflege-Badreiniger-Hybrid, der sowohl zum Einseifen als auch zum Entfernen von Kalk und Schimmel verwendet werden kann. Und als Rohrfrei.

Zumindest riecht, was auch immer in der Flasche ist, neutral und mir fallen nicht spontan die Haare aus. Somit sind die Mindestanforderungen an eine Duschgel-Shampoo-Kombi erfüllt.

Beim Auschecken müssen wir die City Tax von 1,10 Euro pro Person entrichten. Das ist nicht besonders viel. Da wir gestern lediglich 500 Meter vom Bahnhof zum Hotel gelaufen sind und achteinhalb Stunden geschlafen haben, fühlt es sich trotzdem an, als sei das ein Scam der Stadt Avignon.

Titelbild mit einem Käseteller und einer Weißbrotscheibe, die mit passierten Tomaten bestrichen ist. Der Teller steht auf einem Tisch in einer Tapas-Bar.

Werde auf dem Weg zum Bahnhof. Im Minutentakt mit Mails, SMS und App-Benachrichtigungen zu unserer weiteren Reise bombardiert. Booking.com versorgt mich mit Check-in-Details für das Hotel in Barcelona, Trainline informiert mich, meine Reise stehe bald an, Renfe (die spanische Zuggesellschaft) schickt mir zwei Nachrichten – eine für mich, eine für meine Frau –, die ich beide nicht verstehe, weil sie auf Spanisch und Französisch sind.

Dann meldet sich Booking wieder, diesmal mit Tipps für Aktivitäten in Barcelona, das Hotel in Barcelona sendet eine SMS mit Hinweisen, was zu tun ist, falls wir nach 24 Uhr ankommen – ich hoffe, dass das nicht der Fall sein wird –, anschließend möchte Booking, dass wir unser Hotel in Avignon bewerten.

Frühstück am Bahnhof: Cappuccino von Starbuck’s und Müsli-Protein-Riegel aus dem Automaten. Kostet trotzdem so viel wie ein Brunch in einem mittelmäßig guten Frühstückslokal. (Zum Glück habe ich gestern meine Bahn-Getränke-Gutscheine eingelöst.)

Mache mich auf der Zugfahrt schlau, was wir in Barcelona unternehmen können. Finde erstaunlich viele Seiten mit Geheimtipps für die katalanische Hauptstadt. Häufig sind sie mehr oder weniger identisch. So geheim können sie also nicht sein. Wären sie wirklich geheim, würden am Sterbebett von einer Stadtführer-Generation an die nächste weitergegeben.

In Barcelona Sants angekommen, können wir gleich den ersten Punkt auf unserer Städtereisen-Must-do-Liste erledigen: U-Bahn fahren. (Die weiteren Punkte: einen Aussichtspunkt besteigen, im Supermarkt einkaufen, das lokale McDonald’s-Angebot testen.)

Die Waggons der Barceloner U-Bahn sind sauber, geräumig und hell erleuchtet. Sehr hell erleuchtet. Das macht das Ganze etwas steril und ungemütlich. Wahrscheinlich mit Absicht. Damit du nur von A nach B fährst und nicht mit dem Gedanken spielst, in der U-Bahn zu wohnen.

In der Mitte des Wagens zeigen über der Tür rote Leuchtdioden an, wo du dich gerade befindest und welche Stationen bereits abgefahren wurden. Weder analog noch richtig digital. Aber hübsch anzusehen. Ein bisschen wie auf der Kommandobrücke bei Raumpatrouille Orion. (Die Älteren erinnern sich.)

An der Station Entença steigt ein junger Mann im Garfield-T-Shirt und mit einem stattlichen Lautsprecher im Schlepptau ein. Als die Bahn wieder losfährt, holt er ein Mikro hervor und stimmt eine spanische Schnulze an. Hört sich für mich nach Julio Iglesias an. Oder Enrique Iglesias. Oder irgendeinem anderen spanischen Schnulzensänger, der mir unbekannt ist.

Die Darbietung ist nicht katastrophal schlecht, aber auch nicht herausragend gut. Bei The Voice hätte sich aber eher niemand umgedreht.

Finanziell lohnt sich der Auftritt für den U-Bahn-Sänger kaum. Nur eine Frau wirft ihm etwas in seinen Becher. Mit einem Kartenlesegerät hätte er vielleicht mehr eingenommen. Oder mit besserem Gesang.

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Ankunft im Hotel. Wenn ich in anderen Ländern Menschen anrede, habe ich mir zur Angewohnheit gemacht, sie in ihrer Landessprache zu fragen, ob sie Englisch sprechen. Als Gebot der Höflichkeit und Zeichen des Respekts.

Bevor ich an die Rezeption trete, erdeeple ich schnell die Frage „Hables angles?“ Der Hotelangestellte, dem ich sie stelle, schaut mich verwirrt an. „You mean if I speak English?“, fragt er zurück. Fließend und nahezu akzentfrei.

Somit hat er meine Frage implizit mit ja beantwortet und mich gleichzeitig als Idiot dastehen lassen, der eine erfundene Phantasiesprache kauderwelscht. Well played, Herr Rezeptionist, well played.

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Wir ziehen los, um Barcelona zu Fuß zu erkunden. Dann bekommst du mehr vom Stadtbild mit. Und übertriffst dein 10.000-Schritt-Ziel um ein zwei- oder sogar dreifaches.

Nach einer Viertelstunde erreichen wir – eher zufällig, als geplant – die Sagrada Familia, eines der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt. (Außer dem Camp Nou). Offiziell heißt sie Basilica Temple Expiatori de la Sagrada Familia. Das klingt sehr imposant, ist aber auch recht zeitaufwändig. Daher einigte man sich auf die Kurzform Sagrada Familia.

Baukran an Kirche

Die Sagrada Familia gilt als Hauptwerk des berühmten katalanischen Baumeisters Antoni Gaudi. Der Bau begann 1882 und soll 2033 fertig gestellt werden, lese ich bei Wikipedia nach, während wir vor der Kathedrale stehen. Das lässt die Bauzeiten des BER und von Stuttgart 21 in recht positivem Licht erscheinen.

Dem Gebäude ist die lange Bauphase und die damit verbundenen stetigen Anpassungen, Ausweitungen und Änderungen des architektonischen Konzeptes durchaus anzusehen. Es vereint neu katalanische Neugotik, mit Modernisme und Moderne, was anscheinend ein Unterschied ist, mich aber nicht genügend interessiert, um die entsprechenden Wikipedia-Beiträge dazu zu lesen.

Die Fassade weist so viele unterschiedliche Elemente auf – von Glasmosaiken über Fruchtkörbe, Bäumchen und Tauben bis hin zu Sternen und Turmspitzen in floralen Formen –, dass du dich beim Betrachten in einem Fiebertraum wähnst. Oder als schautest du dir das Bild eines fünfjährigen Kindes an, das eine Kirche gemalt und diese mit allem verziert hat, was ihm in den Sinn gekommen ist. („Auf den Turm male ich Trauben.“ „Wirklich?“ „Ja, wirklich.“)

Online sehe ich, dass die Eintrittskarten für die nächsten Tage restlos ausverkauft sind. Das ist aber nicht wahnsinnig schlimm, denn sie kosten 26 Euro pro Person. Ohne Besichtigung der Türme, für die ein weiterer Zehner fällig ist. Die Sagrada Familia sieht von außen eigentlich beeindruckend genug aus.


Fortsetzung


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