Das Gute daran, deinen langen Lauf am Morgen zu machen? Du hast ihn hinter dir und den Rest des Tages vor dir. Das Schlechte daran? Du bist so fertig, dass du zu nichts mehr in der Lage bist und nur noch antriebslos abhängen willst.
Wir gehen trotzdem an den Strand. Hier sind erfreulich wenige Menschen. (Stichwort Nebensaison) Der Sand ist feinkörnig, vor dem Wasser ist allerdings ein breiter Streifen mit getrockneten Algen, Tang, kaputten Muscheln, Holzstöckchen und was die Wellen sonst noch so anspülen. Das trübt das Stranderlebnis ein wenig ein. Visuell und sensorisch, wenn du darüber latschst.
Aber ich möchte nicht meckern. Schließlich gibt es kaum etwas Unsympathischeres, unangenehm Privilegierteres und Abgehobeneres, als sich im Urlaub über die Beschaffenheit des Strandes zu mokieren. Was kommt da als nächstes? Sich über das im Hals kratzende goldene Löffelchen beschweren, dann die Grünen dafür verantwortlich machen und schließlich die FDP wählen?
Dafür ist das Wasser angenehm temperiert. Meint zumindest meine Frau. Ich erfülle meine Pflicht und bewache die Handtücher sowie unsere Badetasche mit Getränken, Büchern und Handys. Einer muss das ja übernehmen.
Am Strand laufen nur wenige Möwen aber erstaunlich viele Tauben rum. Keine Ahnung, ob die aus der Gegend sind oder hier kostenbewusst Urlaub in der Nebensaison machen.
Ungefähr 50 Meter links von uns sitzt ein älteres Ehepaar auf zwei Klappstühlen unter einem bunt gestreiften Sonnenschirm. Ich denke, in fünfzehn Jahren könnten wir das sein. Vielleicht auch in zehn. Meine Frau hofft in fünf.
Während wir auf dem Balkon zu Abend essen, filmt sich am Strand eine junge Frau, wie sie Dance Moves in den Wellen macht.
Zuerst schwingt sie ihren Kopf ganz schnell – das würde bei mir ein Schleudertrauma oder einen Brechanfall auslösen (wahrscheinlich beides) –, dazu bewegt sie wild die Arme – dabei würde ich mir die Schulter auskugeln –, dreht dann eine Pirouette – das ist bei mir motorisch ausgeschlossen –, geht mit weit gespreizten Beinen in die Kniebeuge – das traue ich mir zu – und tanzt schließlich mit weiten Schritten aus dem Bild raus – das traue ich mir ebenfalls zu, würde den Anblick aber niemandem zumuten wollen.
In meinen Augen und aus der Ferne sah das ziemlich gut aus. Die Strand-Tänzerin ist allerdings anderer Ansicht. Immer wieder und wieder wiederholt sie ihre Choreographie, überprüft die Aufnahme, geht zurück ins Wasser und fängt von vorne an. Drei-, vier-, fünf-, sechsmal und nochmal und nochmal und nochmal. Obwohl ich das ein bisschen albern finde, sich beim Tanzen am Strand zu filmen, bewundere ich ihren Ehrgeiz, ihr Durchhaltevermögen und ihren Sinn für Perfektionismus.
Nach einer halben Stunde packt sie zusammen und verlässt den Strand. Anscheinend war sie nun mit dem Ergebnis zufrieden. Oder sie muss nach Hause, weil es Abendbrot gibt.
Bilanz des Tages
- 35,01 Kilometer gelaufen
- 43.235 Schritte zurückgelegt
- 3,5 Liter getrunken
- 2. Supermarktbesuch (65,89 Euro)
- 1. richtiger Strandbesuch
- 0 Meerbesuche
- 0 Kniffel (Und 0 Full House und nur 1 Große Straße meinerseits)
Alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs finden Sie hier:
- Vorbereitung (03.09.): Zurück in die Vergangenheit
- Anreise (04.09.): Auf Kaffeefahrt mit der Deutschen Bahn
- Barcelona (1) (05.09.): Immer geradeaus
- Barcelona (2) (06.09.): Saubere Brillen und wütende Kartoffeln
- Ankunft (07.09.): Blick aufs Meer (und ein bisschen Parkplatz)
- Tag 01 (08.09.): Lauf, Christian, lauf
- Tag 02 (09.09.): Do you need a good one or a normal one?
- Tag 03 (10.09.): Dem Meer ist alles egal
- Tag 04 (11.09.): Nationalfeiertagsfeierlichkeiten Fehlanzeige
- Tag 05 (12.09.): Vom Winde gemobbt
- Tag 06 (13.09.): Mein Name ist nicht Bond
- Tag 07 (14.09.): Man spricht kein Deutsch
- Tag 08 (15.09.): Das ganze Leben ist ein Fake. (Zumindest auf der Strandpromenade Richtung Salou)
- Tag 09 (16.09.): Ein Hollywood-Blockbuster für einen Käsekuchen
- Tag 10 (17.09.): Der mittelalte weiße Mann und das Meer
- Tag 11 (18.09.): Kein Regen im Nichts
- Tag 12 (19.09.): Helga, die Schreckliche
- Tag 13 (20.09.): Ein nasser Abschied
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Ich würde im Urlaub bestimmt nicht so viel laufen. Das mache ich schon auf Arbeit.Aber wenn Dir das trainieren was bringt*Lauf Christian lauf*.