Döse am Strand vor mich hin, lausche dem Rauschen des Meeres und lasse meine Gedanken fließen. Stelle schnell fest, dass da gar nicht so schrecklich viel fließt. Vielleicht liegt das an der Urlaubsentspannung. Oder ich habe weniger Gedanken als ich dachte und noch weniger kluge. Besser nicht weiter darüber nachdenken, sondern einfach dem rauschenden Meer lauschen. Dem ist auch alles egal.
Meine Frau probiert die neue Taucherbrille aus. Die ist tatsächlich „very good“ und lässt kein Wasser durch. Trotzdem sieht sie nicht, was unter ihr passiert. Zu viel aufgewirbelter Sand. Da hätte auch die „more good“ Brille nicht geholfen.
Dämmere weiter vor mich hin. Das Meeresrauschen lässt mich allmählich in ein Nickerchen abdriften. Von links weht spanisches Stimmengewirr herüber, das in seinem schnellen Stakkato an Maschinengewehrsalven erinnert.
In der Ferne ist Kinderlärm zu hören. Kein fröhliches Juchzen oder glucksendes Kichern, sondern die Art von Kreischen, vor dem sich alle Eltern fürchten. Weil du entweder keine Ahnung hast, was deinem Kind nicht passt, oder du weißt es, kannst aber nichts daran ändern. Weil das Kind nun mal beim Straße überqueren an der Hand gehen soll, egal ob es will oder nicht, oder noch mal eingecremt werden muss oder seine nasse Badehose ausziehen soll.
Ich bin froh, dass unsere Kinder so groß sind, dass sie nicht mehr hysterisch kreischen, wenn ihnen etwas nicht passt. (Und ein bisschen wehmütig, dass sie so groß sind, dass sie nicht mehr mit uns in Urlaub fahren.) Am liebsten würde ich den Eltern des eskalierenden Kindes zurufen: „Fürchtet euch nicht. Alles wird gut.“
„Hola, Massages?“ Eine Frau läuft über den Strand und bietet Massagen an. Ich stehe Massagen eher ablehnend gegenüber. Ich möchte nicht von einer mir unbekannten Person angefasst und durchgeknetet werden. Ich möchte nicht einmal von einer mir bekannten Person durchgeknetet werden. Die Vorstellung, dass ich dabei auf dem Strand liege und mir Sand an alle Körperteile und in alle Körperöffnungen weht, macht das Ganze noch unattraktiver.
Die Masseurin stampft resolut über den Sand. Ihr „Hola, Massages?“ klingt weniger nach Frage, sondern mehr nach Aufforderung, wenn nicht gar Befehl. Ich lehne trotzdem mit einem schüchternen „No, gracias“ ab. Die Frau geht missmutig weiter und bellt weiter ihr „Massages“ über den Strand.
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Während des Abendessens beobachten wir diesmal zwei Frauen am Meer, die sich gegenseitig dabei fotografieren oder filmen, wie sie ins Meer rennen. Immer wieder stürmen sie in die Wellen, kontrollieren die Aufnahme, sind nicht zufrieden und es geht wieder von vorne los. 20 Minuten lang. Dann verlassen sie pitschnass den Strand und gehen in Richtung des Hotels, das hinter unserer Ferienwohnung liegt.
Vielleicht findet dort eine Influencer-Academy statt, bei der die Teilnehmer*innen jeden Tag Content am Strand erstellen müssen.
Bilanz des Tages
- 15,01 Kilometer gelaufen
- 27. 875 Schritte gegangen
- 1 Supermarktbesuch (37,88 Euro)
- 0 Fake-Produkte an der Promenade gekauft
- 1 Paar Fake-Flip-Flops in Salou erworben
- 1 “good one” Taucherbrille in Cambrils erstanden
- 2 Irish Pubs gesehen
- 3 Kniffel geworfen (alle ich)
Alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs finden Sie hier:
- Vorbereitung (03.09.): Zurück in die Vergangenheit
- Anreise (04.09.): Auf Kaffeefahrt mit der Deutschen Bahn
- Barcelona (1) (05.09.): Immer geradeaus
- Barcelona (2) (06.09.): Saubere Brillen und wütende Kartoffeln
- Ankunft (07.09.): Blick aufs Meer (und ein bisschen Parkplatz)
- Tag 01 (08.09.): Lauf, Christian, lauf
- Tag 02 (09.09.): Do you need a good one or a normal one?
- Tag 03 (10.09.): Dem Meer ist alles egal
- Tag 04 (11.09.): Nationalfeiertagsfeierlichkeiten Fehlanzeige
- Tag 05 (12.09.): Vom Winde gemobbt
- Tag 06 (13.09.): Mein Name ist nicht Bond
- Tag 07 (14.09.): Man spricht kein Deutsch
- Tag 08 (15.09.): Das ganze Leben ist ein Fake. (Zumindest auf der Strandpromenade Richtung Salou)
- Tag 09 (16.09.): Ein Hollywood-Blockbuster für einen Käsekuchen
- Tag 10 (17.09.): Der mittelalte weiße Mann und das Meer
- Tag 11 (18.09.): Kein Regen im Nichts
- Tag 12 (19.09.): Helga, die Schreckliche
- Tag 13 (20.09.): Ein nasser Abschied
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)