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26.06.2021, Berlin
Kurz nach 17 Uhr startet unser Flug nach Olbia. Wir sind schon drei Stunden früher am Flughafen. Wie immer bin ich übertrieben nervös. Weil wir im Schnitt nur alle zwei Jahre fliegen, bin ich ein äußerst unroutinierter und unsouveräner Flugreisender. Ich befürchte immer, dass ich die falschen Unterlagen ausgedruckt habe, die Koffer zu schwer sind, wir zu früh oder zu spät sind, uns komplett im Datum geirrt haben oder ich sonst irgendetwas falsch gemacht habe und unangenehm auffalle.
Heute ist meine Aufregung beim Check-In noch größer, denn wir müssen zusätzlich die diversen Corona-Formulare und -Testbescheinigungen vorweisen. Nachdem die Dame am Schalter unsere Ausweise kontrolliert hat, fragt sie, ob wir das Einreise-Formular ausgefüllt und einen Corona-Test gemacht hätten. Stolz nicke ich und frage: „Soll ich Ihnen die Ausdrucke zeigen?“ Ich komme mir vor wie ein Erstklässler, der seine Hausaufgaben präsentieren möchte, um von seiner Klassenlehrerin ein Fleißbienchen zu bekommen. Die Frau schüttelt den Kopf und erklärt, sie müsse das lediglich fragen, aber nicht kontrollieren. Dann halt nicht. Allerdings schade um das Fleißbienchen.
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Nach dem Schleppen des Gepäcks und der Aufregung am Schalter bin ich so geschwitzt, dass der Body-Scanner bei der Sicherheitskontrolle den Dienst verweigert. Ich entschuldige mich bei dem Security-Mann, der die Leibesvisitation vornimmt, ich sei etwas nass. Er beruhigt mich, das sei gar nichts, er habe schon ganz andere Menschen abtasten müssen, da solle ich besser gar nicht fragen und das würde er mir auch gar nicht erzählen, denn da würde mir sonst übel werden.
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er gerne möchte, dass ich ihn nach diesen Abtasterlebnissen frage, damit er davon berichten kann. Ich habe aber bereits Bilder im Kopf, wie er Menschen durchsucht, die sich am Flughafen eingenässt und bis zur Halskrause vollgekotet haben. Deswegen stelle ich keine weiteren Fragen und bin froh, als er fertig ist und ich weiterziehen kann.
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Pünktlich um 17.10 Uhr hebt das Flugzeug ab. Meine Frau leidet unter starker Flugangst und schnauft in ihre FFP2-Maske, als müsste sie Wehenschmerzen veratmen. Dabei hat sie sich im Laufe des Tages immerhin ein halbes Fläschchen mit Bachblüten-Tropfen reingepfiffen. Die sollen bei Flugangst angeblich eine beruhigende Wirkung haben.
Ich stelle fest, dass ich mit zunehmendem Alter das Fliegen auch immer weniger mag. Beim Start spanne ich meine Oberschenkel mit aller Kraft an, als müsste ich mit meiner Beinmuskulatur dafür sorgen, dass das Flugzeug die Schwerkraft überwindet. Vielleicht hätte ich den Rest der Tropfen trinken sollen.
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Nach ungefähr einer dreiviertel Stunde kündigt eine der Flugbegleiterinnen an, gleich starte der Essensverkauf. Der würde sich diesmal besonders lohnen, weil zum Essen die Masken abgenommen werden dürften. Es scheint mir nicht gerade für die Qualität des Essensangebot zu sprechen, wenn das Hauptverkaufsargument darin besteht, dass du damit kurzzeitig die Maskenpflicht umgehen kannst.
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Nach der extrem sanften Landung klatschen einige der Passagiere. Zwei Frauen hinter mir rümpfen die Nase. So etwas würden nur Malle-Pauschaltouristen machen. Ich bin da anderer Meinung. An Bord sind viele kleine Kinder und die finden Klatschen immer spitze. Außerdem ist es schön, Menschen, die ihre Arbeit gut machen, Respekt und Anerkennung zu zollen. Das sollten wir viel häufiger im Alltag tun:
- Die Bäckersfrau überreicht dir eine Tüte mit leckeren Brötchen: High five!
- Der Friseur schneidet dir die Haare gut: Ein Man-Shake und eine kurze Umarmung.
- Die Müllmänner leeren die Mülltonnen zuverlässig: eine La-Ola-Welle durch die Nachbarschaft!
- Die Pilotin oder der Pilot landen das Flugzeug extra smooth: Eine Runde Applaus!
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Wir sammeln unser Gepäck ein und verlassen den Ankunftsbereich. Zu meiner leichten Enttäuschung will niemand unsere Formulare, Tests und Bescheinigungen kontrollieren, die mich in den letzten Wochen so viel Zeit und Energie gekostet haben. Ich bin kurz davor, den beiden Grenzbeamten, die gelangweilt am Ausgang stehen, die Klarsichthülle mit unseren Reiseunterlagen ins Gesicht zu drücken. Allerdings habe ich Angst, doch etwas vergessen oder falsch ausgefüllt zu haben und zurück nach Deutschland geschickt zu werden. Deswegen gehe ich betont lässig an den beiden vorbei, vermeide jeglichen Blickkontakt und hoffe, sie sprechen mich nicht an.
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In der Ankunftshalle erwartet uns der Taxifahrer, den ich von Deutschland aus gebucht hatte. Ursprünglich wollten wir mit dem Bus die 70 Kilometer von Olbia nach Santa Teresa fahren. Das hätte uns nur knapp 20 Euro gekostet, dauert mit gut anderthalb Stunden auch nicht länger viel länger als mit dem Auto und ist obendrein umweltfreundlicher. Das hätte unserem CO2-Fußabdruck nach einem innereuropäischen Flug ganz gut zu Gesicht gestanden. Das Problem dieses bestechenden und sowohl von unserem Bankkonto als auch von Friday for Future befürworteten Plans: Der letzte Bus fährt um 20 Uhr, was bei der Ankunftszeit unseres Flugs um 19.30 Uhr nur zu schaffen gewesen wäre, wenn wir unser Gepäck am Flughafen zurückgelassen hätten.
Die Alternative Mietwagen kam auch nicht infrage. Unsere Ferienwohnung liegt direkt in Santa Teresa und nur rund 100 Meter vom Strand entfernt. Da haben wir für ein Auto gar keine Verwendung. Vielleicht wenden Sie nun ein, wir könnten doch ein paar schöne Tagestouren mit machen. Das hatten wir schon vor vier Jahren ausprobiert und für nicht vergnügungssteuerpflichtig empfunden. Auf Sardinien gibt es sehr viele, sehr kurvige Straßen und italienische Autofahrer:innen scheinen entweder von einem Todeswunsch beseelt zu sein, der sie jede Kurve schneiden lässt, oder sie sind motorisch nicht in der Lage, das Auto auf ihrer Seite zu halten. So gab es mehr als eine Situation, in der ich bedauerte, im Auto keine Erwachsenenwindel getragen zu haben.
Deswegen entschieden wir uns für die lebensbejahende Taxioption. Die ist zwar nicht ganz billig, aber immer noch günstiger als ein Mietwagen, der 14 Tage rumsteht, oder als ein Krankentransport von Sardinien nach Deutschland per Hubschrauber.
Unser Taxifahrer ist ungefähr unser Alter – das heißt, wahrscheinlich mindestens fünf Jahre jünger, weil ich immer vergesse, dass ich gar nicht mehr Ende 30 bin – und macht einen sympathischen Eindruck. Sein Name ist auch Christian, was ihn noch sympathischer macht. Als ich ihm erzähle, dass meine Frau Christina heißt, freut er sich, ist aber ein wenig enttäuscht, dass wir unsere Kinder nicht Christiana und Christobal genannt haben. (Die beiden sind darüber allerdings sehr froh, aber das nur am Rande.)
Glücklicherweise ist Christian von keinem Todeswunsch beseelt und auch in der Lage, die rechte Spur zu halten. Nach knapp 70 Minuten kommen wir sicher in Santa Teresa an. Dort hat er lediglich leichte Schwierigkeiten, die Hausnummer 11 zu finden. Das liegt aber nicht an seinem schlechten Orientierungssinn, sondern daran, dass sie sich – warum auch immer – zwischen den Nummern 15 und 19 versteckt.
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Im Ferienhaus nimmt uns Signora Morama, die Hausverwalterin, in Empfang und führt uns durch die Zimmer. Unter anderem gibt sie uns anhand eines leicht vergilbten Zettels eine ausführliche Einweisung in das äußerst komplexe sardische Mülltrennungs- und Recyclingsystem und erklärt, wann wir welche Tonnen an die Straße stellen müssen. Da ich ohnehin nichts verstehe und es später nachlesen kann, schalte ich nach ungefähr 20 Sekunden ab, schaue aber weiter sehr interessiert. (Eine Fähigkeit, die ich mir im Chemieunterricht der 10. Klasse angeeignet habe. Da habe ich allerdings nie etwas nachgelesen.)
Die Unterhaltung mit Signora Morama ist nicht ganz einfach, denn ihre Englischkenntnisse sind eher rudimentär. Da wir aber überhaupt kein Italienisch können, haben wir keinen Grund, uns zu beschweren. Nun können wir in den nächsten vierzehn Tagen unsere Sprachkenntnisse so erweitern, dass wir am Ende des Urlaubs mit ihr fließend auf Italienisch parlieren können.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Dort kann man bestimmt ideal joggen gehen 😅