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28.06.2021, Santa Teresa di Gallura
Entspannung hin, Erholung her, auch im Urlaub gehe ich regelmäßig laufen. Wer Eis, Pizza und Pasta essen will, muss ausreichend Sport treiben. Ein Satz, der nach asketischer Disziplin und fast schon preußischer Tugendhaftigkeit klingt, bei genauerer Betrachtung aber vollkommener Unsinn ist.
Es gibt schließlich kein Naturgesetz, nach dem es unmöglich ist, Eis, Pizza oder Pasta in den Mund zu nehmen, zu zerkauen und herunterzuschlucken, wenn du dich vorher nicht körperlich betätigt hast. Ebenso wenig gibt es gesetzliche Vorschriften, die den Verzehr besagter Speisen verbietet, solltest du nicht gelaufen, geradelt, geschwommen oder sonst wie sportlich aktiv gewesen sein. Ich wurde beispielsweise noch nie in einer Eisdiele oder einer Pizzeria nach meinem aktuellen Sportnachweis gefragt, bevor meine Bestellung aufgenommen wurde.
Aber es schadet trotzdem nichts, sich im Urlaub etwas fit zu halten. Schließlich möchte ein gesunder Geist nicht nur Zuhause, sondern auch im Urlaub in einem gesunden Körper wohnen. Oder in meinem Fall ein halbwegs gesunder Geist in einem halbwegs gesunden Körper. Oder ein ganz okay gesunder Geist in einem ganz okay gesunden Körper. Oder ein nicht vollkommen wirrer Geist in einem nicht total abgewracktem Körper. Sie wissen, was ich meine. (Falls nicht, müssen Sie wenigstens nicht auf Ihren Körper achten, denn Ihr Geist scheint nicht allzu fit zu sein.)
Auf Sardinien ist das Laufen nicht gerade einfach. Zum einen hat es schon morgens um die 25 Grad und die Gegend um Santa Teresa ist sehr hügelig. Das heißt, du musst ständig bergauf und bergab laufen und das ist wahnsinnig anstrengend. (Dies als kleine Erläuterung für alle Leser:innen, denen das Wort hügelig kein Begriff ist.)
Zum anderen gibt es keine wirklich guten Laufwege. Zuerst musst du im Städtchen auf dem Bürgersteig joggen und andauernd Fußgänger:innen ausweichen, wie seinerzeit Alberto Tomba den Slalomstangen. (Ein Vergleich, der die Eleganz meiner Ausweichbewegungen möglicherweise ein wenig beschönigt.) Dann verlässt du irgendwann den Ort und joggst neben serpentinenartiger Straßen und musst in jeder Kurve damit rechnen, als bedauernswerter Road Kill zu enden. Wenn du gerade eine 10-prozentige Steigung hinaufjapst, eine gar nicht so unattraktive Alternative.
Um mich erstmal an Wetter, Streckenprofil und Begleitverkehr zu gewöhnen, belasse ich es bei einem 8-Kilometer-Lauf. Den dokumentiere ich penibel in meiner Fitness-App, falls ich später beim Eis- oder Pizzaessen doch nach einem Sportnachweis gefragt werden sollte.
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Auf dem steilen Weg zur Bäckerei überlege ich, wie ich ohne größere Kenntnisse der italienischen Sprache Brötchen bestellen soll. Mit 18/19 hatte ich in einem Anflug von Selbstüberschätzung versucht, autodidaktisch Italienisch zu lernen. Nach einer Lektion gab ich das Vorhaben wieder auf. Leider entsprachen weder mein Talent noch mein Durchhaltevermögen meinem ambitionierten Ziel. (Aus den gleichen Gründen bin ich nicht Tennisprofi geworden und habe auch nie Wimbledon gewonnen, obwohl ich mir das als Zehnjähriger fest vorgenommen hatte.)
An einen Satz aus dem Italienisch-Lehrbuch erinnere ich mich noch: „Ecco la casa di Carlo.“ „Das ist das Haus von Karl.“ Ein Satz, der aber null relevante Information für ein Bäckerei-Verkaufsgespräch enthält. Außerdem ist es sehr unwahrscheinlich, dass das Haus mit der Bäckerei tatsächlich einem Karl gehört. Falls doch, weiß die Verkäuferin das wahrscheinlich schon und ich muss ihr das nicht extra erklären.
In der Schule hatte ich sieben Jahre Latein, was mir beim Brötchenkaufen ebenso wenig weiterhilft. Der allererste Satz, den wir übersetzen mussten, lautete: „Cornelia et Marcus in horto ambulant.“ „Cornelia und Markus gehen im Garten spazieren.“ Ebenfalls keine Information, mit der die Verkäuferin etwas anfangen könnte. Wenn ich in Deutschland ein paar Brötchen haben möchte, sage ich ja auch nicht: „Ottilia und Walther lustwandeln durch die Weiden und Auen.“
Ich beschließe, mich an der Kundin vor mir zu orientieren. Die Frau bestellt „due Ciabatta“, also kaufe ich auch „due Ciabatta“. Als ich die Bäckerei verlasse, denke ich wie der alte Cäsar: „Veni, vidi, vici!“ („Ich kam, sah und siegte!“) Fast. Zumindest kam ich, sah ich und kaufte zwei Ciabatta.
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Nach dem Frühstück machen wir uns für den Besuch der Rena Bianca fertig. Nach dem gestrigen Strandbesuch sehen wir aus, als hätten wir noch nie in unserem Leben Strandurlaub gemacht, und nie davon gehört hätten, dass es nötig ist, sich mehrmals am Tag mit Sonnenmilch einzucremen. Der Sohn ist am Rücken etwas gerötet, meine Frau hat leichten Sonnenbrand an den Beinen und die Tochter sieht am Oberkörper aus wie die österreichische Flagge (rot-weiß-rot).
Ich habe es – wie immer – geschafft, mich ungleichmäßig einzucremen, so dass vereinzelte rötliche Flecken von unterschiedlicher Größe meinen Oberkörper und Bauchbereich zieren. Das ist in mehrfacher Hinsicht ungünstig:
- Es juckt.
- Es ist dermatologisch bedenklich und erhöht das Hautkrebsrisiko.
- Die anderen Menschen am Strand denken: „Was für ein Volltrottel, der nicht in der Lage ist, Sonnencreme richtig aufzutragen!“
- Sie haben Recht.
Hinter uns liegen zwei Frauen, die sich mit leicht schwäbischem Dialekt unterhalten. Aufgrund des Altersunterschieds und ihrer Ähnlichkeit tippe ich auf Mutter und Tochter.
Neben der älteren der beiden liegt ein telefonbuchdickes Rätselheft: Maxi-Sudoku-Rätsel für Könner. Ob es wohl auch ein Mini-Sudoku-Rätsel für Flachpfeifen gibt? Wahrscheinlich nicht, denn wer würde sich so etwas kaufen? Andererseits wäre es ein schönes Geschenk für jemanden, den du nicht leiden kannst.
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Dankenswerterweise hat meine Frau die Aufgabe übernommen, sich in das komplexe italienische Mülltrennungs- und -abholsystem einzuarbeiten. Es gibt insgesamt sechs verschiedene Müllsorten, die wir trennen müssen:
- Papier und Karton: Dazu zählen – was nicht sonderlich überraschend ist – Papier und Kartons, aber auch Tetra Pak-Verpackungen. Wahrscheinlich, um recyclingwillige deutsche Touristen zu verwirren.
- Plastik: Darunter fallen Plastikflaschen jeglicher Art sowie Kunststoffverpackungen, jedoch – um es nicht zu einfach zu machen – keine Plastikteller und -becher.
- Glas: In diesen Müll kommt sämtliches Altglas, zum Beispiel leere Bier- und Weinflaschen oder Tomatensaucen-Gläser. Schraubverschlüsse und Metalldeckel sind vorher zu entfernen und kommen in einen anderen Müll. (Welchen auch immer.)
- Feuchter Müll: Hierzu gehört alles, was in Deutschland auf dem Kompost oder in der Biotonne landet, also in erster Linie Essens- und Küchenabfälle.
- Trockener Müll: Quasi Restmüll. Allerdings eine etwas irreführende Bezeichnung, denn dazu zählen auch Windeln und Katzenstreu. Wahrscheinlich haben die Menschen, die sich die Namen für die italienischen Müllkategorien ausgedacht haben, nie eine Windel gewechselt oder ein Katzenklo sauber gemacht.
- Dosen: Naheliegend einfach umfasst dieser Müll, wie es der Name schon sagt, Dosen. Sonst nichts. Es ist quasi die 50-Euro-Wer-wird-Millionär-Frage unter den italienischen Müllkategorien.
Der Biomüll wird montags, mittwochs und freitags abgeholt, Papier- und Kartons (und Tetra Pak-Verpackungen) dienstags, trockener Restmüll mittwochs, Plastikmüll donnerstags, Altglas am ersten, dritten und fünften Donnerstag im Monat und Dosenmüll wiederum am zweiten und vierten Donnerstag.
Damit der Müll abgeholt wird, müssen wir ihn rechtzeitig an die Straße stellen. Prinzipiell keine allzu große Herausforderung. Für uns aber schon, denn in Berlin holt die Müllabfuhr die Tonnen selbst aus den Hinterhöfen. Allerdings stehen hier die Mülleimer auf dem Balkon und da wäre es doch etwas viel verlangt, wenn der Müllmann sich im Freeclimbing betätigen müsste, um die Tonnen zu entleeren.
Eine Zusatzschwierigkeit gibt es noch: Befindet sich falscher Müll in den jeweiligen Tonnen, lässt die Müllabfuhr ihn einfach an der Straße stehen. Bei wiederholten Verstößen gibt es eine Benachrichtigung an den Vermieter. So viel Druck habe ich das letzte Mal in der 10. Klasse verspürt, als ich in Physik ein paar Fünfen in unangekündigten Hausaufgabenüberprüfungen bei meinen Eltern unerwähnt ließ und befürchtete, der Lehrer lädt sie zu einem exklusiven Treffen am nächsten Elternsprechtag ein.
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Der Sohn kniffelt motiviert wie die Schweizer Nationalmannschaft bei ihrem Sieg gegen Frankreich und erweitert seinen Vorsprung auf mich als Zweitplatziertem auf über 100 Punkte. Vielleicht ist der Sohn aber auch wie die Franzosen, die einen 2-Tore-Vorsprung verspielt haben. Zumindest hoffe ich das.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Wegen der Sprachprobleme gab es bei uns (als ich ein Kind war) im Italienurlaub immer nur “otto” panini. Das konnte sich mein Vater merken. Erst als es mit 5 Personen und nur 8 Brötchen eng wurde, hat er die Zahl 10 auf Italienisch gelernt. :-)