Bretagne 2015 – Heimreise: Von frühem Aufstehen, kulinarischen Auto-Exzessen und der Verwandlung von Kaffee in Urin und zurück

Es ist 3 Uhr morgens. Der Wecker ermahnt uns nach einer sehr kurzen und fast schlaflosen Nacht, aufzustehen. Die Heimreise steht an. Im Autopilot und wenige Worte wechselnd wird geduscht und ein Kaffee runtergeschüttet, Betten werden gemacht und letzte Sachen im Auto verstaut.

Esquibien. Im Mondschein.

Esquibien. Im Mondschein.

Der restliche Müll muss auch noch weggebracht werden, zu den Containern an der Straße. Erlaube mir, eine Glasflasche in den normalen Hausmüll zu werfen. Werde als Deutscher dafür sicherlich in der Recyclinghölle schmoren, wo ich bis in alle Ewigkeit schmutzige Joghurtbecher säubern muss. Dafür haben wir aber den gesamten Urlaub über so vorbildlich Müll getrennt, wie es nur deutsche Touristen machen. Gehe davon aus, dass uns Präsident Hollande dafür demnächst den goldenen Müllbeutel am langen Bande verleihen wird.

### Weiterlesen

Bretagne 2015 – 13. Tag: Von radelnden Senioren, kalten Meeren und unschönem Kniffeln

Trete morgens auf die Terrasse und werde von der Sonne, der klaren Luft und dem mit Schleierwolken durchzogenen Himmel begrüßt. Grüße zurück. Ein wahrhaft würdiges Wetter für meine Abschieds-Berg-Radtour zum Bäcker.

Esquibien. Napoleonisches Kaiserwetter.

Esquibien. Napoleonisches Kaiserwetter.

Im Wissen, das letzte Mal die Hügel, Berge und Anstiege zwischen Esquibien und Audierne alleine mit der Muskelkraft meiner Beine bezwingen zu müssen, radle ich übermütig pfeifend los. Meine persönliche Tour d’Honneur, wie sie sonst nur Radprofis auf der letzten Etappe der Tour de France erleben. Die trinken allerdings sogar zum Start ein Gläschen Champagner. Bei mir fehlt nicht nur der französische Schaumwein, sondern auch die Abwesenheit jubelnder Menschenmassen am Straßenrand schmälert meint Hochgefühl ein wenig.

Lasse mich aber nicht entmutigen und winke den vereinzelten frühen Spaziergängern fröhlich zu. Diese sind etwas irritiert und ihre Beifallskundgebungen könnten etwas enthusiastischer ausfallen. Also, wenn sie überhaupt reagieren würden, wäre das schon ganz schön.
Weiterlesen

Bretagne 2015 – 12. Tag: Von Küstenläufen, Strandküchen und Sandflöhen

Trete morgens früh auf die Terrasse und lasse den Blick über den Garten hinaus aufs Meer schweifen. Die Luft ist klar, der Himmel wolkenlos, die Sonne scheint. Ein Tag, wie geschaffen, um ganz Besonderes zu leisten. Um Helden zu zeugen, um Kontinente zu entdecken, um Medizin gegen unheilbare Krankheiten zu entwickeln oder um eine Rhinozerosherde die atlantische Küste entlang zu treiben.

Esquibien. Ein Tag für ganz besondere Großtaten.

Esquibien. Ein Tag für ganz besondere Großtaten.

Da unsere Familienplanungen bereits abgeschlossen sind, die Erde weitestgehend kartographiert ist und wir über keine nennenswerten medizinisch-naturwissenschaftlichen Kenntnisse verfügen, entscheiden sich der Bonner Freund und ich für die letzte Option: Wir wollen einen letzten 10-Kilometer-Urlaubslauf einlegen, romantisch und größtenteils ebenerdig verlaufend die Küste entlang in westliche Richtung und dann über die Dörfer zurück nach Esquibien. Weiterlesen

Bretagne 2015 – 11. Tag: Von 40ern, Beach-Tennis und Kuchen. Sehr viel Kuchen.

Wache morgens auf, blinzle mit den Augen und da steht sie nun und lässt sich nicht länger verleugnen: die 40. Sie winkt mir aus der Ecke des Schlafzimmers freundlich zu. Winke zurück. Reibe meine Augen und als ich sie öffne, ist sie verschwunden. Scheint ein wenig schüchtern zu sein, die 40.

40! Was, jetzt schon?

40! Was, jetzt schon?

Gehe erstmal ins Bad. Das Spiegelbild scheint den Eintritt ins fünfte Lebensjahrzehnt weniger gelassen zu nehmen (was bei der Formulierung ‚Eintritt ins fünfte Lebensjahrzehnt‘ auch mehr als verständlich ist). Auf dem Kopf trägt es eine Baseball-Kappe (verkehrt herum), im Gesicht eine dunkle Sonnenbrille und um den Hals eine schwere Silberkette, so dick wie ein Kinderarm. Es hält mir die Faust zum Ghetto-Gruß hin. Berühre zögerlich mit meiner Faust den Spiegel. Weiterlesen

Bretagne 2015 – 10. Tag: Von Jedi-Nilpferden, Rippen und Postkartenschreiben

Wache aus dem Tiefschlaf auf, weil mich jemand an der Schulter rüttelt. Es ist der Sohn. Er trägt Sportklamotten und will mit mir joggen. Anscheinend habe ich ihm das gestern versprochen. Behauptet er zumindest. Kann mich nicht daran erinnern oder habe es verdrängt. Ganz tief ins Unterbewusstsein. Komme aber nicht mehr aus der Nummer raus, denn der Sohn insistiert, dass wir zusammen laufen.

Esquibien. Ein Tag, wie zum Laufen gemacht. Oder zum Schlafen.

Esquibien. Ein Tag, wie zum Laufen gemacht. Oder zum Schlafen.

Ziehe mich also schnell an und langsam traben wir, Vater und Sohn, gemeinsam los. Eigentlich macht es mich auch ein wenig stolz, dass der Sohn meinem Hobby nacheifert und möchte, dass ich ihn in die Geheimnisse des Laufens einweihe. Gewissermaßen wie ein Jedi, der seine Weisheiten an seinen jungen Padawan weitergibt.

Gut, so wie wir nebeneinander herlaufen, ist vielleicht das Bild eines jungen überschwänglichen Zickleins und eines gemütlichen Nilpferd-Bullen etwas zutreffender. Das Jedi-Nilpferd und das Padawan-Zicklein. Könnte eine super Story werden. Auch für Hollywood. Weiterlesen

Bretagne 2015 – 9. Tag: Von langen Läufen, Wanderungen durch das Irland Frankreichs und keiner Brooke Shields

Werde durch den an den Rollläden rüttelnden Wind geweckt. Hoffnung keimt in mir auf, dass das Wetter auch heute zu schlecht für den 16/17-Kilometer-Lauf sein könnte. Öffne den Rollladen einen Spalt und luge hinaus. Verdammt! Es ist zwar bewölkt, aber es regnet nicht. Dem Lauf steht somit zumindest meteorologisch nichts im Weg und der Bonner Freund und ich laufen los.

Wetteraussichten Esquibien: Zu gut um wahr zu sein.

Wetteraussichten Esquibien: Zu gut um wahr zu sein.

Mein Magen ist allerdings der Meinung, dass ich gestern zu viel Pizza hatte, um heute zu laufen, und der Kopf findet, dass der letzte Aperol Spritz am Vorabend schlecht war, was sportlicher Betätigung ebenfalls nicht zuträglich ist. Und nun kommen Sie mir bitte nicht mit: „Wer Abends schlemmen kann, der kann am nächsten Morgen laufen.“ Das ist wieder nur eine Erfindung der Dumme-Sprüche-Industrie und ganz grober Unfug. Denn diese Aussage beschreibt quasi zwei unterschiedliche Personen:

  • Im ersten Halbsatz („Wer Abends schlemmen kann, …“) geht es um eine hedonistische Person, die nach dem Prinzip der Lustmaximierung lebt, gesellig ist und einen großen Bekannten- und Freundeskreis hat. Sie lebt im Hier und Jetzt, trägt ein Yolo-Tattoo und lässt auch mal Fünfe grade sein. Es ist die Person, die man unbedingt dabei haben will, wenn es etwas zu feiern gibt. Kurzum, eine durch und durch sympathische Person.
  • Der zweite Halbsatz („… der kann am nächsten Morgen laufen.“) beschreibt dagegen eine zielstrebige, disziplinierte und fokussierte Person, die asketisch-calvinistisch lebt und von protestantischer Arbeitsethik durchdrungen ist. Sie hat das schwäbische „Schaffe, schaffe, Häusle baue, Hund abschaffe, selber belle“ mit der Muttermilch aufgesogen und trägt eine Tattoo mit der Inschrift: „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nie auf morgen.“ Ein richtiger Langweiler, den man auf keinen Fall bei einer Fete dabei haben möchte (Wobei es nicht schlecht wäre, wenn eine solche Person die Party organisiert, damit alles rund läuft.). Kurz und gut, eine eher unsympathische Person, mit der man nichts zu tun haben will (Ich mag mich ja selbst auch nicht so gerne, wenn ich morgens laufen gehe.).

Sie sehen, diese Personen sind nicht miteinander kompatibel und somit ist dieser Spruch auch kompletter Unsinn. Weiterlesen

Bretagne 2015 – 8. Tag: Von Zauseln, Spaziergängen und Wunsch-Feen

Wache morgens kurz nach 7 Uhr auf und danke Wettergott und Wetter-App auf den Knien: Es regnet und stürmt. Das heißt, der vom Bonner Freund gestern Abend angeregte 16/17-Kilometer-Lauf nach Pont Croix muss leider entfallen. Wie bedauerlich!

Esquibien bei Regen. Mal wieder.

Esquibien bei Regen. Mal wieder.

Öffne drei Stunden später erneut die Augen. Nach Adam Riese, der immer herhalten muss, wenn einfachste Rechenoperationen korrekt ausgeführt wurden, ist es jetzt 10 Uhr. Im Haus schlafen alle anderen noch. Kontrolliere kurz, ob die Kinder noch atmen. Glücklicherweise sind sie wohlauf und schlummern tatsächlich noch friedlich.

###

Gehe ins Bad und mustere mich im Spiegel. Ein ungekämmter, sonnengebräunter Zausel mit struppigem Bart schaut mich an. Etwas verwahrlost, jedoch nicht vollkommen unsympathisch. Zumindest in meinen Augen.

Unter normalen Umständen wäre es angebracht, mal wieder den Kamm zu bemühen und das Gesichtshaar ein wenig zu trimmen. Aber es ist Urlaub und im Urlaub gebe ich mich gerne als leicht zerzauster, entrückter Intellektueller. Visuell gelingt mir das schon ganz gut. Und so lange ich den Mund halte.

### Weiterlesen

Bretagne 2015 – 7. Tag: Von Märkten, Frisbee-Kunst und der Rückkehr der furzenden Schweine

Wache morgens auf und ein Blick aus dem Fenster und auf die Wetter-App zeigen: der bretonische April geht weiter. Nach dem gestrigen verregneten Tag gibt es heute strahlenden Sonnenschein. Der Strand ruft!

Esquibien. Morgenidyllisch.

Esquibien. Morgenidyllisch.

 

Aber vor das Badevergnügen hat der Urlaubsgott die obligatorische Fahrrad-Berg-Tour zum Bäcker gesetzt. Fröhlich pfeifend radle ich mit leichtem Tritt von Hügel zu Hügel gen Audierne.

Bitte glauben Sie nicht den Gerüchten, dass ich mich keuchend und rotgesichtig über die Berge mühe. Das sind böswillige Unterstellungen, um meinen guten Ruf zu schädigen. Dass ich gar keinen guten Ruf habe, ist übrigens ebenfalls eine böswillige Unterstellung.

### Weiterlesen

Bretagne 2015 – 6. Tag: Von Regen-Lauf-Romantik, Dudelsäcken und Süßigkeiten

Werde morgens vom Regen, der gegen das Fenster peitscht, geweckt. Kontrolliere sicherheitshalber die Wetter-App. 100 Prozent Regenwahrscheinlichkeit. Es scheint tatsächlich zu regnen.

Esquibien. Regenwahrscheinlichkeit 100 Prozent.

Esquibien. Regenwahrscheinlichkeit 100 Prozent.

Eigentlich wollten der Bonner Freund und ich heute laufen. Der wankt um 8 Uhr jedoch nur kurz ins Schlafzimmer und wir grunzen uns zu, dass das Joggen heute ins sprichwörtliche Wasser fällt. Lieber faul im warmen Bett, als sportlich im kalten Nass. Ist eine alte bretonische Weisheit. Die ich gerade erfunden habe.

Drehe mich um und versuche, wieder zu schlafen. Aber eine Stunde später kommt der Bonner Freund schon wieder ins Schlafzimmer. In Sportklamotten. In seinen Augen lodert jetzt das Feuer der Laufleidenschaft. Es habe aufgehört zu regnen und nun gebe es keine Entschuldigung mehr, nicht laufen zu gehen, erklärt er euphorisch.

Möchte hm da nicht uneingeschränkt zustimmen. Denn mir fallen so einige Entschuldigungen ein: Das Bett ist warm, das Müde groß, das Wach klein, die Laufstrecke lang, die Berge anstrengend, der Boden feucht, der Wind windig und so weiter und so fort.

Zu der frühen Uhrzeit und dem fortgeschrittenen Urlaub stellt das Artikulieren klarer Aussagen für mich jedoch eine große Herausforderung dar. Außerdem trippelt der Bonner Freund erwartungsvoll vor mir rum. Deute also ein Nicken an, rolle mich aus dem Bett, schlüpfe irgendwie in Laufkleidung und schon laufen wir gemeinsam die hügelige Straße Richtung Audierne entlang.
Weiterlesen

Bretagne 2015 – 5. Tag: Von Brioches, Altglas-Philosophie und gefüllten Blasen

Wache morgens mit einem leichten Kratzen im Hals auf. Schlucke ein, zwei Mal und ja, es ist eindeutig ein Hauch von Schmerz zu spüren. Hoffentlich ist keine tödliche Männergrippe im Anmarsch und rafft mich dahin wie ein siechendes Tier. Die Freundin teilt meine Befürchtungen allerdings nicht ganz und sieht das Ganze mit wenig Empathie und dafür umso mehr Pragmatismus. Sie findet es tröstlich, dass die Nähe zum Meer wenigstens eine günstige Seebestattung ermögliche.

Verzichte sicherheitshalber auf das heutige Joggen, um dem geschwächten Leib nicht zu viel zuzumuten. Der Bonner Freund drückt ein paar halbherzige Worte des Bedauerns aus, scheint aber nicht besonders unglücklich zu sein.

Esquibien. Morgenromantik.

Esquibien. Morgenromantik.

Absolviere statt des Laufs mit dem Rad die Berg-Tour zum Bäcker. Warum das für meinen Körper besser sein soll als das Laufen, weiß ich auch nicht. Aber am fünften Urlaubstag sollte man auch nicht mehr allzu viel logisches Denken erwarten. Zumindest nicht von mir. Wobei die Erwartungen diesbezüglich auch im normalen Arbeitsalltag bei mir nicht zu groß sein sollten.

###
Weiterlesen