„Wissen macht: Hä?“, meine immer noch recht neue Infotainment-Rubrik mit weiterhin mittelmäßig wenig Info und mittelmäßig viel tainment zu Jahres- und Feiertagen, geschichtlichen Ereignissen sowie aktuellem Zeitgeschehen. Wer regelmäßig „Wissen macht: Hä?“ liest wird wahrscheinlich nicht klüger, aber auch nicht dümmer. Vielleicht.
In Deutschland gehört es zum guten Ton, gegen Halloween zu sein. Zu kommerziell, zu okkult, zu amerikanisch. Vielleicht sagen auch Sie: „Bleib mir bloß weg mit diesem Ami-Mist.“ Damit liegen Sie allenfalls halb richtig. Und somit mindestens halb falsch. Das Halloweenfest hat seinen Ursprung nicht in den USA, sondern bei unseren rothaarigen Freunden in Irland. Die Amerikaner haben es lediglich populär gemacht.
Vielleicht sagen Sie jetzt: „Mensch, da hab‘ ich ja richtig was gelernt.“ In diesem Fall ist die Chance groß, dass die aktuelle „Wissen macht: Hä?“-Ausgabe noch viel mehr Neues für Sie zu bieten hat: zum Beispiel wie das mit Halloween anfing, woher der Name stammt, wie das Fest in die USA und später nach Deutschland kam, was der Kürbis mit Halloween zu tun hat und warum am 31. Oktober marodierende Kinder- und Jugendbanden durch die Straßen ziehen und nach Süßigkeiten verlangen.
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
3) Let’s get the party started: Halloween feiern wie die Amis
Zum weltweiten Exportschlager wurde Halloween erst im 19. Jahrhundert. Damals wanderten viele Iren in die USA aus. (Stichwort Kartoffelfäule und Hungersnot.) Viel nahmen sie nicht aus der alten Heimat mit – sie hatten ja nichts –, aber zumindest ihren Halloween-Brauch.
Die Amerikaner fanden das richtig gut und gingen mächtig steil und all in. Kürbisse noch und nöcher, Süßigkeiten schnorren und wilde Partys. 2021 wurden in den USA mit Halloween-Produkten rund zehn Milliarden US-Dollar umgesetzt. (Das sind eine Eins und zehn Nullen.) Das müssen Sie sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Zehn. Milliarden. US-Dollar. (Das sind immer noch eine Eins und zehn Nullen.)
In Deutschland wird Halloween erst seit Anfang der 1990er gefeiert. Schuld daran sind George Bush und Saddam Hussein. Und die Fachabteilung Karneval im Verband der Spielwarenindustrie. Die nimmt für sich in Anspruch, Halloween nach Deutschland gebracht zu haben. (Warum sie darauf stolz ist, ist nicht bekannt und bleibt rätselhaft.)
Wegen des Golfkrieges fielen im Februar 1991 die Karnevals-Feierlichkeiten aus. Während das Menschen in Norddeutschland vollkommen wumpe war, fürchteten die Kostümhersteller, auf ihrem Verkleidungs-Krempel sitzenzubleiben. (Was schade für die chinesischen Kinder gewesen wäre, die sich beim Nähen so viel Mühe gegeben hatten.)
Das wussten die geschäftstüchtigen Spielwarenindustrie-Karnevalisten zu verhindern. Sie bläuten den Deutschen ein, Halloween sei ein ganz großes Ding, das unbedingt gefeiert werden muss, und zwar am besten in den Kostümen der abgelaufenen Karnevalssaison. Eine Argumentation, die durchaus verfing. Für 2023 rechnet der deutsche Einzelhandel zu Halloween mit einem Umsatz von 480 Millionen Euro. (Das sind eine Vier, eine Acht und sieben Nullen.)
4) Was soll der Unfug mit dem Kürbis?
Selbst wenn du dem Kürbis ablehnender gegenüberstehst als Friedrich Merz dem Gender-Stern, spätestens ab Anfang Oktober kannst du ihm nicht länger entkommen. (Also, dem Kürbis. Friedrich Merz wahrscheinlich auch nicht.) Magazine veröffentlichen fragwürdige Kürbis-Käsekuchen-Rezepte, der Barista schüttet noch fragwürdigeres Kürbis-Gewürz in deinen Kaffee, im Internet gibt es Schnitzanleitungen für Horror-Kürbisse sowie Deko-Vorschläge, wie du mit Kürbisfiguren deine Wohnung verschandeln kannst. Um Herbert Grönemeyer zu zitieren: Was soll das?
Verantwortlich für die Kürbis-Misere ist Jack Oldfield, eine irische Sagengestalt, die wahlweise als Trunkenbold, Betrüger, Geizhals oder Bösewicht bezeichnet wird. Der gute Jacky O. hatte zu Lebzeiten einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, damit er ihn verschont. Später haute er den Beelzebub übers Ohr. Sogar mehrfach.
Als Jack irgendwann das Zeitliche segnete, wurde ihm aufgrund seines unsteten Lebenswandels – zu viele Sünden, zu wenig Reue – der Zugang zum Himmel verwehrt. Weil sich der Pferdefüßige an die Übers-Ohr-gehauen-werden-Episoden erinnerte und weil er nachtragend war, hieß es für den ollen Oldfield auch am Höllentor: „Du kummst hier net rein.“
Stattdessen sollte er bis in alle Ewigkeit durch die Dunkelheit irren. Der Deibel hatte jedoch ein wenig Mitleid und gab Jack ein Stück brennende Kohle aus dem Höllenfeuer, das ihm den Weg weisen sollte. Da glühende Höllenkohle höllisch heiß ist und weil Jack keine Asbesthandschuhe besaß, höhlte er kurzerhand eine Rübe aus, die er eigentlich als Wegzehrung dabei hatte, und stopfte die Kohle hinein.
Aus dieser Legende entstand später der Glaube, dass ein brennendes Stück Kohle in einer Rübe den Teufel und böse Geister fernhält. Was die Frage aufwirft, wie böse diese Geister sein können, wenn sie sich wegen ein bisschen Glut einnässen. Und wie doof ist der Teufel, dass er sich vor einem Stück Kohle fürchtet, das er selbst verschenkt hat?
Nun fragen Sie sich zurecht, warum sie im Herbst von Kürbissen terrorisiert werden, wo Jack doch mit einer dusseligen Rübe rumhantiert hat. Das kam so: Als die Iren nach Amerika auswanderten, brachten sie ihren Rüben-Brauch mit, mussten aber feststellen, dass es im Ami-Land rübenmäßig ziemlich mau aussah. Dafür gab es Kürbisse en masse. Die waren auch viel leichter auszuhöhlen als Rüben. Also sagten sich die irischen Neu-Amis: „Scheiß auf die Rübe, ein Kürbis tut’s auch.“
Für diesen Pragmatismus sollten wir ihnen dankbar sein. Sonst müssten wir jetzt Rübenkäsekuchen backen und unseren Latte mit Rübenaroma verhunzen. Es geht immer noch schlimmer.
5) Trick or treat: Wenn die Süßigkeiten-Schutzgeldmafia um die Häuser zieht
Schon die Kelten stellten zu Samhain kleine Gaben („Treats“) an die Tür. Das sollte bei den bösen Geistern für gute Stimmung sorgen und sie von Untaten abhalten. Anscheinend wussten die Kelten nichts von der Rüben-Kohlen-Phobie der Geister, sonst hätten sie sich den Gaben-Quatsch sparen können.
Einen „Trick or Treat“-Vorläufer gab es bereits im 10. Jahrhundert. Allerdings an Allerseelen, also am 2. November. Damals gingen die Bedürftigen von Haus zu Haus und baten um sogenannten Seelenkuchen, ein spezielles Brot mit süßsauren Johannisbeeren. Was mehrere Fragen aufwirft: Warum heißt es Kuchen, wenn es Brot ist? Fällt das unter arglistige Verbrauchertäuschung und ist das justiziabel? Was haben Johannisbeeren in Brot verloren?
Die findige Süßwaren- und Zuckerindustrie sorgte im Laufe des 20. Jahrhunderts durch geschickte Marketingkampagnen dafür, dass sich an Halloween niemand mehr mit merkwürdigem Johannisbeeren-Brot zufrieden gibt. Stattdessen ist es ungute Sitte, dass mit Einbruch der Dunkelheit distanzgeminderte Kinder und Jugendliche unter dem Motto „Süßes sonst gibt’s Saures“ die Straßen unsicher machen und Schokolade, Bonbons und anderen Süßkram von unbescholtenen Bürger*innen einfordern. Werden ihnen diese verwehrt, sprühen die minderjährigen Zucker-Junkies Rasierschaum an die Tür, schmieren Zahnpasta unter die Klinke oder werfen Eier an die Fenster.
Da sehnst du dich dann nach der guten, alten Corona-Zeit zurück, als das Trick or Treaten als potenzielles Superspreader-Event verboten war.
5 Tipps, um sich aufdringliche Kinder und Jugendliche an Halloween vom Leib zu halten
Allen, die Halloween feiern, viel Spaß dabei, und allen, die mit dem Kürbis- und Gruselfest nichts am Hut haben, einen schönen Dienstag.
Alle Folgen von “Wissen macht: Hä?” finden Sie hier.
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Es ist Samstagabend, kurz nach 23 Uhr. Mit preußischem Pflichtbewusstsein räume ich die Geschirrspülmaschine aus, damit ich das nicht morgen früh machen muss. Gut, um ehrlich zu sein, wollte ich mit preußischem Pflichtbewusstsein die Geschirrspülmaschine ausräumen, habe mich aber ein wenig im Internet festgelesen, als ich mich ganz kurz bei bravo.de über den Beziehungsstatus von Justin Bieber und Selena Gomez informiere. Schließlich möchte man auf dem Laufenden sein, falls die Kinder mal den Wunsch verspüren, sich mit mir zu unterhalten. Kommt bei einer 14-jährigen Tochter und einem 11-jährigen Sohn aber nicht allzu häufig vor.
Gerade als ich mich auf den neuesten Stand der Liebesaffären diverser Teenie-Stars bringe, klingelt es plötzlich Sturm. Missmutig ob der späten Störung, die obendrein verhindert, dass ich erfahre, wie sich Miley Cyrus und Liam Hemsworth kennengelernt haben, öffne ich die Tür. Vor mir steht eine hagere Gestalt in leicht verschlissener Kutte.
„Süßes, sonst gibt’s Saures!“, ruft sie und hält mir dabei fordernd eine knöchrige Hand entgegen.
In der dämmrigen Hausflurbeleuchtung dauert es ein wenig, bis ich ihn erkenne. Es ist mein Freund, der Tod.
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Noch eine gute Woche und dann steht Halloween wieder vor der Tür. Und zwar in Gestalt marodierender Kinderbanden, die mit einem unverschämten “Süßes oder Saures” Schutzgeld in Form von Süßigkeiten erpressen wollen. Wie Sie sich dagegen wehren und einen Halloween-Abend verbringen können, der geruhsamer als ein Aufenthalt in einem tibetanischen Schweigekloster ist, lesen Sie in meiner aktuellen Kolumne im ELTERN!-Magazin von scoyo. Viel Spaß!
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Zu Halloween ziehen wieder zahlreiche mehr oder weniger phantasievoll verkleidete kleine Monster, Hexen und Vampire durch die Straßen und verlangen von der erwachsenen Bevölkerung Süßes und drohen für den Fall, keine Süßigkeiten zu erhalten, mit Saurem. Persönlich habe ich ein eher distanziertes Verhältnis zu Halloween und kann mit den überdrehten, nach Zuckerzeug gierenden Kindern nur wenig anfangen. Dennoch sollte man sich auf Halloween kulinarisch und mental gut vorbereiten. Denn diesen Tag ohne ausreichenden und zufriedenstellenden Vorrat an Süßigkeiten zu bestreiten, kann sehr anstrengend sein. Aber lesen Sie am besten selbst.
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.