Irisches Tagebuch, 04. Juni | Etappe 1 – Von Camp nach Annascaul (Teil 2)

Teil 1


Der zweite Teil unserer Wanderung ist etwas anstrengender als noch heute Vormittag. Die Wege werden enger, links und rechts sind sie von hohen Hecken gesäumt. Unzählige Insekten brummen und summen und schwirren um uns herum. Die Tochter kreischt jedes Mal, wenn ihr etwas zu nahekommt. Sie steht Insekten eher distanziert gegenüber. Um nicht zu sagen feindlich.

Ich bin mir des Nutzens von Insekten bewusst – wenn auch mehr so im Allgemeinen als im Detail –, bin aber auch nicht ihr größter Fan. Ich möchte kein Body-Shaming betreiben, aber mit ihren dünnen Beinen, glubschigen Augen und rüsseligen Nasen sind Insekten nicht übermäßig attraktiv. Persönlich würde ich sie sogar als eklig beschreiben. Und im ungünstigsten Fall stechen oder beißen sie dich. Ich versuche, mir meine Abneigung jedoch nicht anmerken zu lassen und verwedele sie mit größtmöglicher Würde.

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Die Wegbeschreibungen unseres Reiseanbieters sind sehr detailliert. Fast schon absurd detailliert.

„This road soon leads onto a track which in turn becomes a grassy path that takes you down to a small river. You may be able to jump over the narrow stream.”
“Where the trail turns sharply after 525 m turn left onto a rugged track until a junction 15 m further on brings you to a road.”
“Don’t get confused by the Dingle Way signpost pointing in three different directions but simply turn right onto a grassy track (often muddy).”
“After 245 m you have to cross a stile and follow the track which becomes much narrower as it follows a sunken path that runs low between walls and hedges on either side.”
“Eventually you arrive at a small road which you have to follow for just over 4 km, ignoring any tracks and paths left and right.”

Da kann nichts schief gehen. Eigentlich. Wir haben trotzdem immer häufiger Schwierigkeiten, die Hinweise aus der Wegbeschreibung in unserer Umgebung zu entdecken. Wie unterscheidet sich ein Track von einem Path? Sind die 57,4 m schon rum? Und wo ist nochmal links?

Vielleicht können wir uns aufgrund unserer zunehmenden Erschöpfung nicht mehr so gut konzentrieren. Oder es liegt an unserer generellen Orientierungslosigkeit. Ich tendiere zu ersterer Erklärung, befürchte aber das letztere zutreffend ist.

Zum Glück taucht Dingle Dude auf und ruft winkend: „Here you are, mates! Good to see you again. You have to go left. No, the other left. Phantastic, there you go.“

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Schließlich befinden wir uns auf der Straße Richtung Annascaul. Noch 2,5 Kilometer. Es geht die ganze Zeit bergab, aber derletzte Abschnitt zieht sich trotzdem. 2,5 Kilometer bleiben 2,5 Kilometer, egal wie steil es runter geht.

Annascaul hat ungefähr 300 Einwohner*innen und sechs Pubs und Bars. Auf 50 Menschen kommt also ein Pub. Bei diesem Verhältnis müsste es in Berlin ungefähr 82.000 Kneipen geben.

Es ist noch zu früh, um ins B+B zu gehen. Wir kehren erstmal im South Pole Inn ein. Der Pub ist dem berühmtesten Sohn des Ortes gewidmet: Tom Crane. Der nahm Anfang des 20. Jahrhunderts an den meisten britischen Antarktis-Expeditionen teil, wobei die wenigsten dieser Unternehmungen von Erfolg gekrönt waren. Später hat er dann das South Pole Inn gegründet.

Unsere 20-Kilometer-Wanderung bei bestem Wetter ist nicht direkt mit den Mühen und Entbehrungen zu vergleichen, die Tom Crane bei seinen Südpol-Fahrten auf sich genommen hat, aber ein kühles Getränk haben wir uns dennoch verdient. Zeitgleich mit uns kommt eine 20-köpfige Wandergruppe am South Pole Inn an. Die Männer und Frauen sind schon etwas betagter. Einige sehen aus, als hätten sie die 80 bereits überschritten. Vor vielen Jahren. Das hindert sie nicht daran, erstmal ein Pint Guinness zu ordern.

Das ist vielleicht das Geheimnis ihres Alters: Wandern an der frischen Luft und irisches Bier trinken. Wir belassen es trotzdem bei einer Coke Zero.

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The Old Anchor Guesthouse ist unser B+B für heute Nacht. Beata empfängt uns. Die circa 40-jährige gebürtige Polin heißt uns herzlich willkommen und lässt sich erstmal über das Wetter aus. (Natürlich.) Welch ein Glück wir hätten, dass es so sonnig ist, und dass das auch so bleiben solle und sie gar nicht wisse, wann es das letzte Mal so lange so gutes Wetter gegeben hätte. Damit wäre das auch geklärt.

Unsere Zimmer sind nett eingerichtet und geräumig. So können wir unsere Koffer ausbreiten und unsere Klamotten sortieren. Nur der Wasserdruck der Dusche lässt etwas zu wünschen übrig. Er scheint im Minusbereich zu liegen, aber das spart Wasser und ist somit gut für die Umwelt, so dass ich mich nicht beschweren will.

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Zum Abendessen gehen wir in Patcheen’s Bar. Die Tochter nimmt eine Pizza Margaritha, was in Irland als Pub Food durchgeht, und meine Frau wieder Fish & Chips. Ich setze meine Fleisch-Festspiele fort und entscheide mich für einen Beef-Burger. Diesmal mit unglasiertem Zwiebel und ohne Spiegelei, das ich aber nicht wirklich vermisse. (Sorry, Spiegelei) Der Burger ist saftig, der Bun fluffig und die Chips knusprig.

Die Tochter macht uns mit einem unfassbar leckeren Strawberry-Lime-Cider bekannt. Ihr Lieblingsgetränk, das sie meistens schon tränke, bevor sie in den Pub gehe, um dort nicht so viel Geld ausgeben zu müssen. (Ihr Auslandsstudium scheint eine Schule fürs Leben zu sein.) Der Cider schmeckt quasi wie Limo, was ebenso phantastisch wie bedenklich ist.

Die Gerichte in Patcheen’s Bar sind im Schnitt fünf Euro günstiger als gestern in Kirby‘s Brogue Inn. Somit können wir zwei Getränke mehr nehmen, so dass wir inklusive Trinkgeld wieder auf den gleichen Betrag wie am Vorabend kommen.

Auf dem Heimweg treffen wir die beiden Irinnen vom Frühstück wieder. Sie sind ebenfalls im Old Anchor Guesthouse untergebracht. Wir tauschen uns über die heutige Wanderung aus. Sie hatten am Nachmittag ebenfalls Schwierigkeiten mit der Wegbeschreibung. Es lag also nicht an uns. Oder die beiden sind genauso orientierungslos wie wir. Das ist nicht auszuschließen.

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Bevor wir ins Bett gehen, rufen wir den Sohn an. Er ist leicht verschnupft. Wahrscheinlich ist sein Immunsystem geschwächt, weil er uns so sehr vermisst.

Wir fragen, ob er die Blumen gegossen hat. Im Prinzip schon, erklärt er. Also, gestern nicht, aber heute. Dann beendet er das Telefonat recht zügig. Wahrscheinlich um die Blumen zu gießen.

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22.15 Uhr. Wir liegen im Bett. Aus einem der nahegelegenen Pubs erschallt plötzlich Live-Musik. Der Fenster-Rentner in mir findet es, „interessant“, um diese Uhrzeit an einem Sonntagabend ein Konzert zu beginnen.

Die Band spielt Cover-Songs wie „Baby come back“ und „Pretty woman“. Quasi das Kirmes-Band-Repertoire bei uns früher. Wenn du damals Glück hattest, konntest du darauf mit einem hübschen Mädchen tanzen. Und wenn du noch mehr Glück hattest, spielte die Band danach irgendeinen aktuellen Bravo-Kuschelrock-Song und du konntest Stehblues tanzen. Da ich meistens kein Glück hatte, musste ich am Rand stehen und dabei zuschauen, wie die hübschen Mädchen mit anderen tanzten. (Niedergeschrieben klingt das weirder, als es war. Vielleicht auch nicht, wenn ich es mir recht überlege.)

Zum Glück bin ich keine 18 mehr. Sonst müsste ich jetzt in den Pub gehen und darauf hoffen, dass ein hübsches Mädchen mit mir tanzt. Oder hübschen Mädchen beim Tanzen zusehen. (Okay, das hört sich definitiv creepy an.) Stattdessen kann ich in dem bequemen Bett liegen und der Musik aus der Ferne zuhören. Langsam dämmere ich weg. Im Hintergrund läuft „Summer of ´69“.


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Irisches Tagebuch, 03. Juni | Zugfahrt – Mit der Ir’schen Eisenbahne (Teil 2)

Teil 1


Ich schaue durchs Fenster auf die vorbeiziehende Landschaft. Die ist grün und ein wenig hügelig, aber noch nicht Kerrygold-Werbung spektakulär. Was unter anderem daran liegt, dass wir nicht in Kerry sind.

Meine Frau meint, es sehe hier fast wie in Nordhessen aus, ich erkenne eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Westerwald. Hoffentlich sind diese Vergleiche nicht ehrabschneidend für die irische Landschaft.

Bisher habe ich schon sehr viele Kühe gesehen, aber noch nicht so viele Schafe. Auf einer Weide haben gerade zwei Kühe Sex. Irgendwoher müssen die ja alle kommen.

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Das Display oberhalb der Waggontür zeigt die Informationen zu den kommenden Stationen immer erst auf Irisch und dann auf Englisch an. Irisch sieht ein bisschen aus, als hätte jemand wahllos Vokale und Konsonanten zusammengewürfelt und zur Verzierung noch kleine Haken und Striche über oder unter die Vokale gemalt.

In Thurles steigen zwei junge Männer ein. Sie tragen Anzug mit Weste und Krawatte. Ich tippe auf Investmentbanker. Oder Mormonen auf Missionierungs-Tour.

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Am Bahnhof in Tralee holt uns Sorcha ab, die Betreiberin des B+B, in dem wir heute Nacht untergebracht sind. Sie ist schätzungsweise Mitte 50 und hat mittellanges, kastanienbraunes Haar.

Meine Frau und ich sind etwas nervös. Wir sind beide socially etwas challenged und fürchten uns ein wenig vor Small Talk. Das ist bei Sorcha glücklicherweise kein Problem. Sie ist sehr herzlich und vor allem sehr gesprächig.

Während der gar nicht so langen Autofahrt erfahren wir, dass ihre jüngste Tochter in Galway Irish, Geography und Psychology studiert, Psychology aber aufgeben wird, später mal Secondary oder Primary Teacher werden will, jetzt aber erstmal das Uni-Leben genießt. Ihr Sohn ist 21, hat gerade seine Ausbildung zum Immobilienmakler abgeschlossen und würde jetzt noch ein Studium draufsatteln. Er möge Football, Golf und Gardening und würde noch ein weiteres Jahr bei ihnen wohnen, das sei aber unproblematisch, denn er sei ein sehr unauffälliger Hausgast. Im Gegensatz zu ihren Töchtern, wenn die zuhause wären, bräche immer das Chaos aus, aber es sei trotzdem schön, wenn sie zu Besuch kämen. Ihr Mann Colm wollte heute eigentlich zum Gaelic Football gehen, hätte das Spiel aber aufgrund eines Missverständnisses verpasst, da er vergessen hatte, seinen Freund anzurufen, um Bescheid zu geben, dass er mitkommen würde, was nicht weiter schlimm gewesen wäre, denn so hätten sie sich das Spiel einfach im Fernsehen angeschaut. Das Wetter sei zurzeit sehr nice und das solle auch die nächsten Tage so bleiben und dann stehen wir vor dem B+B und Sorcha zeigt uns unser Zimmer.

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Zum Abendessen laufen wir nach Tralee. Ausgesprochen wird das wie Trolie. Oder Trulie. Oder so ähnlich. Genau weiß ich es nicht. Egal wie ich es betone, die Tochter sagt immer, es sei falsch. Wenn sie es dann ausspricht, hört es sich für mich genauso an, wie ich es gesagt habe. Daher rede ich nur noch von „der Stadt” oder „dem Ort“.

Tralee ist die Hauptstadt des County Kerrys und liegt im Südwesten Irlands am Anfang der Halbinsel Dingle. (Oder am Ende, wenn du aus der anderen Richtung kommst.) In Tralee leben ungefähr 23.000 Menschen, einer von ihnen war mal Rea Garvey, seines Zeichens ehemaliger Frontmann der Band Reamonn. Beziehungsweise Frontmann der ehemaligen Band Reamonn.

Auf mich wirkt Tralee wie ein leicht heruntergekommener Ferienort, der schon bessere Tage erlebt hat, aber dennoch über einen gewissen Charme verfügt. Die Pub-Dichte in der Stadt ist bemerkenswert hoch. Der nächste Pub ist immer nur zwei Minuten entfernt und auch nur wenn du sehr langsam gehst. (Oder stark schwankst.)

Wie in Carlow gibt es auch in Tralee ziemlich viele Friseure und Barber-Shops. Vielleicht haben Iren einen überdurchschnittlich starken Haar- und Bartwuchs.

Fürs Abendessen fällt unsere Wahl auf das Kirby‘s Brogue Inn. Zum einen stand der Pub auf der Liste unseres Wanderreisenanbieters, zum anderen laufen wir zufällig daran vorbei.

Wir studieren die Karte. Die Preise sind ziemlich happig. Ich wünschte mir, es gäbe eine Damenkarte, in der nicht steht, was die Gerichte kosten. Noch mehr wünschte ich mir, dass zum Schluss ein Herr die Rechnung für mich begleicht.

An einer Wand hängt ein riesiger Fernseher, auf dem Gaelic Football gezeigt wird. Eine Mischung aus Fußball, Handball und Rugby. Auf dem Spielfeld passiert sehr viel, für den Laien erschließt sich aber nur schwer warum.

Die irischen Teams gehören beim Gaelic Football zur absoluten Weltklasse. Außerhalb Irlands gibt es allerdings auch kaum andere Teams.

Das Essen ist reichlich und lecker. Für die Tochter gibt es Gemüselasagne und als Beilage – damit die Kohlenhydrate nicht zu kurz kommen – Knoblauchbrot und Chips (aka Pommes), die Frau bekommt Fish & Chips mit Salat und – weil der Koch seine Kreativität ausgelebt hat – Kapernmayonnaise, und ich esse einen Burger mit Bacon, glasierten Zwiebeln, Gurken, Tomaten, Käse und aus irgendeinem Grund einem Spiegelei. Dazu werden Chips sowie ein Alibi-Salätchen gereicht.

Wir sollten genügend Kalorien für unseren morgigen ersten Wandertag zu uns genommen haben. Mit den Frühstückskalorien wahrscheinlich sogar für die ganze Woche.


Gewinnspiel

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Irisches Tagebuch, 03. Juni | Zugfahrt – Mit der Ir’schen Eisenbahne

Wir waren wandern. In Irland. Hier gibt es den Bericht. Nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Falls Ihnen Ihre Lebenszeit nichts wert ist und Sie alle Beiträge der Irischen Tagebücher lesen möchten, werden Sie hier fündig.


7 Uhr. Ich wache langsam auf. Fühle mich wie gerädert. Komischer Ausdruck. „Sich wie gerädert fühlen.“ Ich weiß nicht, was rädern ist, ohne Google zu bemühen, und damit auch nicht, wie du dich dabei fühlst.

Meine Augenlider sind bleischwer. Das kann ich mit Bestimmtheit sagen. Kein Googeln erforderlich. Es kostet mich nahezu unmenschliche Kraft, sie zu öffnen. Erst das linke, dann das rechte. Draußen ist es schon hell und die Sonne scheint durch das Rollo des Hotelzimmer-Fensters.

Unten auf der Straße unterhalten sich zwei Männer.

„Good morning. How are you?”
“Fine, fine, thank you. How are you?”
“Very good. Thank you.”
“The weather is lovely, isn’t it?“
„Indeed, indeed.“

Es entwickelt sich nun eine mehrminütige Unterhaltung darüber, wie warm es ist, wann es das letzte Mal so warm war, wie lange es noch warm sein soll und ab wann es wieder regnen wird.

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Irisches Tagebuch, 02. Juni | Anreise – Da wackelt nichts (Teil 2)

Teil 1


17 Uhr. Boarding. Warum bezahlen Menschen extra fürs Priority Boarding? Die müssen doch trotzdem warten. Statt am Gate im Flugzeug. Die fliegen ja nicht vor den anderen ab. (Falls doch, werde ich gleich Augen machen.) Vielleicht schmeichelt es ihrem fragilen Ego, als erstes an Bord gehen zu dürfen.

Eine Frau in gelber Warnweste erscheint. Sie trägt eine randlose, rötlich getönte Sonnenbrille, ihre braunen Locken sind mit viel Haarspray in Form gebracht und um ihren Hals hängt goldenes Geschmeide. Im Gesicht hat sie nicht gerade an Make-up, Lippenstift und Lidschatten gespart. Sie hat das aber durchaus gekonnt auftragen. Nicht wie ein vierjähriges Kind, das mit verbundenen Augen seine Schminkpuppe mit Paintballkugeln beschossen hat. Die Frau öffnet die Tür zum Flugfeld und dirigiert die Passagier*innen energisch aber fröhlich in Richtung Flugzeug.

Dort steht eine weitere Frau. Ebenfalls in der obligatorischen Warnweste und auch mit stylisher Sonnenbrille, toupiertem Haar und aufwändiger Gesichtsbemalung. Hinter ihrem Ohr hat sie eine geschmackvolle kleine Blume tätowiert.

Die beiden Frauen sehen weniger nach Flughafen-Bodenpersonal aus, sondern mehr nach Hollywood-Diven. Vielleicht sind sie tatsächlich Schauspielerinnen und üben für eine Bodenpersonal-Rolle. Hoffentlich trifft das nicht auch auf den Piloten zu.

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Am Fenster in meiner Reihe sitzt eine Frau, die sich sofort eine Schlafbrille aufsetzt. Der Mann auf dem Mittelplatz neben mir steht noch dreimal auf, um etwas aus seiner Tasche im Gepäckfach zu holen.

Meine Frau ist links und rechts von zwei hünenhaften Männern eingerahmt. Könnten professionelle Rugbyspieler sein. Oder Schwergewichts-Ringer. Oder beides. Die jammern bestimmt nicht, wenn ihnen jemand die Hand zusammendrückt.

Ich bin müde und würde gerne schlafen. Bis zum Sicherheits-Ballett der Flugbegleiterinnen zwinge ich mich aber, wachzubleiben. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass sich deine Überlebenschancen bei einem Flugzeugabsturz deutlich erhöhen, wenn du bei der Security-Vorführung zuhörst. Da will ich kein Risiko eingehen.

Vielleicht erzählen die Damen ja etwas Neues, was ich noch nicht weiß. Tun sie aber nicht. Die Notausgänge befinden sich an den gleichen Stellen wie immer, die Anschnallgurte öffnen und schließen sich wie eh und je und bei Druckabfall sollst du immer noch zuerst dir eine Maske nehmen und erst dann anderen helfen.

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Nun bin ich hellwach und kann den Flug nicht verschlafen, wie es mein Plan war. Ich könnte aus dem Fenster schauen. Geht aber nicht, denn die Schlafbrillen-Frau verdeckt den Blick nach draußen.

Ist aber auch besser so. Wenn ich aus Flugzeugfenstern schaue, kann ich nicht mehr so gut verdrängen, dass wir uns in einem tonnenschweren Gerät 10.000 Meter in der Luft befinden und dass das zwar physikalisch erklärbar ist, ich aber sehr schlecht in Physik war und es deswegen nicht wirklich verstehe und daher bei jedem kleinen Ruckler denke, dass dem Flugzeug vielleicht gerade einfällt, dass es doch viel zu schwer ist, um sich in der Luft zu halten, und das ist kein schöner Gedanke.

Allerdings ruckelt das Flugzeug nicht. Kein bisschen. Wirklich überhaupt nicht. Es ist der ruhigste Flug meines Lebens. (Ein Satz, den ich selbstverständlich erst nach der Landung und nicht während des Flugs niedergeschrieben habe. Du musst nicht hardcore abergläubisch sein, um zu wissen, dass man so etwas nicht macht.)

Unterdessen verkaufen die Stewardessen Rubbellose. Hauptgewinn eine Million Euro. Ich kaufe kein Los. Ich finde es befremdlich, sich im Glücksspiel zu versuchen, während du 30.000 Fuß über den Wolken fliegst. Außerdem passt es Ying und Yang vielleicht nicht, wenn hier jemand die Million gewinnt, und zur Wiederherstellung des kosmischen Gleichgewichts lassen sie die Maschine abstürzen. Ebenfalls kein schöner Gedanke. (Auch das habe ich natürlich erst niedergeschrieben, nachdem wir sicher gelandet sind. Ich hege schließlich keinen Todeswunsch.)

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Im Flughafen in Dublin geht meine Frau erstmal auf Toilette, ich warte bei der Gepäckausgabe. Wobei ich überhaupt nicht warten muss. Als ich zum Beförderungsband komme, fahren unsere Koffer schon fröhlich im Kreis umher. Stattdessen warte ich auf meine Frau.

Der Flug hat uns hungrig gemacht. Eigentlich hat das gar nichts mit dem Flug zu tun, sondern wir haben generell auf Reisen Hunger. Und sonst meistens auch.

Meine Frau besorgt in einem Flughafen-Shop Sandwiches, Getränke und Schokoriegel. Für einen Preis gegen den unser Proviant am BER ein richtiges Schnäppchen war. (Die Urlaubskasse hat jedweden Lebenswillen verloren.)

Da in Irland der Euro gilt, kannst du die Summe leider nicht durch zehn oder so teilen, sondern der Betrag ist wirklich so hoch wie er ist. Wenn du dir aber vorstellst, ein Kind hätte dir in seinem Kaufmannsladen einen Phantasie-Betrag abgeknöpft, geht es.

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20.05 Uhr. Weiter mit dem Bus nach Carlow. Der Busfahrer macht am Anfang eine Durchsage. Besonders viel verstehe ich nicht. Wegen des schlechten Mikros. Und weil er wie der Butler aus Dinner for One klingt. Nach dem dritten Gang. Das ist nicht so richtig beruhigend, aber wenigstens stolpert er über keine Tigerköpfe und das werte ich als gutes Omen. (Du musst nehmen, was du kriegst.)

Wir fahren durch Dublin. Dort gibt es sehr viele Brücken. Futuristische, antike, moderne, metallene, rostige, grüne, weiße, rote. Mir gefällt das. Anscheinend habe ich mich während des Fluges in einen Rentner verwandelt, der sich am Anblick von Brücken erfreut. Toll!

In der ersten Reihe hockt ein Typ mit riesigen Kopfhörern. Seine Musik ist so laut, dass der halbe Bus mithören muss. Ich äußere mich kritisch dazu und mein innerer, Brücken liebender Rentner nickt zustimmend. Meine Frau erklärt, die Musik käme nicht aus den Kopfhörern, das sei das Radio des Busfahrers.

Tatsächlich. Der Fahrer scheint ein großer Fan des Senders zu sein. Bei jedem Lied dreht er die Lautstärke etwas höher. Von Tina Turner über Bee-Gees bis zu A-ha. Bei Michael Jackson geht er all in und holt aus den Boxen raus, was rauszuholen ist.

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22.15 Uhr. Unser Musik-Express erreicht Carlow. Die Tochter nimmt uns in Empfang und wir gehen zum Hotel. Laut Website liegt das Dinn Rí zentral in der Innenstadt. Eine etwas unpräzise Ortsangabe, denn in Carlow ist quasi alles zentral und befindet sich mehr oder weniger in der Innenstadt.

Im Hotel liegt im Flur und im Zimmer ein unfassbar dicker Teppich. Fühlt sich an, als würdest du knöcheltief durch eine Marshmallow-Wiese waten. Ich verdränge den Gedanken, dass Milben den Teppich bestimmt super finden und darin eine Megacity mit Millionen von Einwohner*innen gebaut haben.

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Zum Abschluss des Tages Besuch in einer Bar. Die liegt praktischerweise direkt neben dem Hotel. Sie gehört dem gleichen Besitzer. Genauso wie das Frühstücks-Café gegenüber und die beiden einzigen Nachtclubs in Carlow. Gegen diesen Menschen sind Jeff Bezos und Elon Musk wahrscheinlich Sozialhilfeempfänger.

Erkläre dem Mann hinter der Theke, ich hätte gerne ein irisches Bier, aber auf keinen Fall Guinness. Er zählt eine Reihe von Bieren auf, die mir alle nichts sagen, und sagt etwas zu ihrem Geschmack, was ich nicht verstehe, weil die Musik so laut ist.

Als ich das Wort Lager höre, sage ich einfach „Excellent!“ Zur Sicherheit recke ich einen Daumen hoch. Falls er mich wegen der lauten Musik auch nicht versteht, und damit er nicht denkt, ich hätte „asshole“ gesagt.

Ich bestelle noch Cider (für die Tochter) und Guiness (für meine Frau). Der Barkeeper ist irritiert. Habe ich eben nicht explizit gesagt, dass ich quasi alles, aber unter keinen Umständen Guiness trinken möchte? Damit er nicht denkt, ich hätte mich über ihn lustig gemacht, recke ich wieder den Daumen hoch. Um jeden Zweifel auszuschließen, gebe ich ein viel zu großzügiges Trinkgeld. Jetzt denkt er erst recht, ich hätte ihn verarscht.

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Zurück im Hotel. Der junge Mann an der Rezeption schaut kurz von seinem Handy auf und begrüßt uns beiläufig mit „How is it going?“ Mich verwirrt das, denn ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll. Genauso wie auf „How are you?“

Was antwortet man da? Vielleicht mit der deutschen Variante? „Könnte schlechter sein.“ Oder ehrlich? „Die letzte Woche vor dem Urlaub war sehr stressig, aber jetzt freuen wir uns auf die Dingle-Wanderung.“ Oder etwas zu meinem körperlichen Befinden? „Beim Joggen zieht es manchmal im Knie. Das läuft sich aber nach ein paar Kilometern meistens weg.“

Dem Mann ist das wahrscheinlich alles egal. Ich murmle: „All right.“ Das interessiert ihn auch nicht, denn er schaut schon wieder in sein Handy.


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Irisches Tagebuch, 02. Juni | Anreise – Da wackelt nichts

Wir waren wandern. In Irland. Hier gibt es den Bericht. Nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Falls Ihnen Ihre Lebenszeit nichts wert ist und Sie alle Beiträge der Irischen Tagebücher lesen möchten, werden Sie hier fündig.


14.30 Uhr. Letzter prüfender Blick ins Wohnzimmer, ob da nichts mehr rumliegt, was wir mitnehmen wollen, sehe aber nichts dergleichen. Die letzte Arbeitswoche war sowohl bei meiner Frau als auch bei mir etwas hektisch und die Reisevorbereitung damit nicht besonders systematisch und entspannt. Bin mir deswegen sicher, dass wir irgendetwas vergessen werden.

Das muss aber nicht sein. Das denke ich vor jedem Urlaub, egal wie systematisch und entspannt die Vorbereitung war.

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Trotz aller Hektik haben wir den Koffer bereits gestern Abend gepackt. Beziehungsweise die Koffer. Zur Entlastung der Urlaubskasse hatten wir uns auf ein Gepäckstück beschränkt. Ursprünglich. Für einen mehrtägigen Wanderurlaub benötigst du allerdings recht viel Schuhwerk und das nimmt recht viel Platz weg. Folglich standen wir vor der Wahl, keine Unterwäsche mitzunehmen oder einen zweiten Koffer nachzubuchen. Wir entschieden uns für den zweiten Koffer. Der wog zum Glück knapp unter zehn Kilo. 9,9. Zumindest auf unserer fünfzehn Jahre alten Badezimmer-Waage. Hoffen wir einfach, die Flughafenwaage misst genauso genau. Oder ungenau. Hauptsache unter zehn Kilo.

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Irisches Tagebuch 2023 | Vorbereitung: Wie alles begann

Wir waren wandern. In Irland. Hier gibt es den Bericht. Nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Falls Ihnen Ihre Lebenszeit nichts wert ist und Sie alle Beiträge der Irischen Tagebücher lesen möchten, werden Sie hier fündig.


Hätte mir vor zehn Jahren jemand gesagt, ich würde mal einen Wanderurlaub machen, hätte ich das kategorisch ausgeschlossen und die geistige Gesundheit dieser Person angezweifelt.

Wanderurlaub war ein Wort, das für mich keinen Sinn ergab. Ein Widerspruch in sich. Ein Paradoxon, um hier mal ein Fremdwort einzuwerfen und Niveau vorzutäuschen.

Laut Wikipedia, der Göttin des Wissens, ist Wandern „eine Form des weiten Gehens über mehrere Stunden“, der Deutsche Wanderverband definiert Wandern als „Freizeitaktivität mit unterschiedlich starker körperlicher Anstrengung“. Urlaub stand dagegen für mich für Entspannung und Erholung, die du durch Nichtstun und Faulenzen erzielst.

Wandern ist aktiv, Urlaub passiv. Das eine hatte mit dem anderen nichts zu tun. Überhaupt nichts. Das war nicht wie Ying und Yang oder zwei Seiten einer Medaille, etwas, das sich ergänzt, sondern schloss sich aus. Wie Feuer und Wasser, Eis und Sonne oder Käsekuchen und Rosenkohl.

Außerdem waren mir Wanderer suspekt. Für mich waren das kernige Mittsechziger mit sonnengegerbter Haut, die ins Reformhaus gehen, sich Darmflora schonend ernähren und praktische, aber hässliche Klamotten tragen. Das entsprach nicht meinem Selbstbild.

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Irisches Tagebuch 2023 | Vorbereitung: Wie alles begann (Teil 2)

Teil 1


Zusätzlich gibt es per Mail ein 50-seitiges PDF mit Informationen rund um unseren Trip.

  • Sicherheitshinweise: „Be careful when walking near cliffs and stay clear of the edge.”
  • Anweisungen für akute Notfälle: „Do not panic. Someone will find you e. g. other walkers using the trial” (Quasi „Abwarten und Tee trinken.“)
  • Tipps bei Tier-Begegnungen. „Cattle: Calves are very curious and may run towards you. Don’t run away. If you do this, the cattle will simply follow you.” (Hoffentlich jagt die Herde einen nicht über die Klippen.)

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Die „Recommended Equipment List“ führt unter „Essentials“ wasserfeste Oberbekleidung, Funktionsunterwäsche, geeignete Socken und Schuhe, Stulpen, warme Mütze und Handschuhe (auch im Sommer) sowie einen Rucksack auf. (Damit niemand auf die Idee kommt, mit einer Aldi-Tüte zu wandern.)

Ich beschließe, als Kleidung meine Laufklamotten zu verwenden. Aus ökologischen und vor allem ökonomischen Gründen, denn die habe ich ja bereits. Was gut genug für einen Marathon ist, sollte für eine 20-Kilometer-Wanderung erst recht reichen. („Berühmte letzte Worte“)

Auf Mütze und Handschuhe verzichte ich ganz. Die trage ich sonst bis maximal fünf Grad und so kalt wird es wohl selbst im irischen Sommer nicht werden. (Weitere „Berühmte letzte Worte“)

Auf der Liste mit „Additional Suggestions“ stehen unter anderem Sonnencreme, Sonnenbrille und Sonnenhut. Das scheint mir angesichts der irischen Wetterverhältnisse etwas übervorsichtig zu sein. Oder überoptimistisch.

Sonnencreme und -hut packen wir trotzdem ein. Schließlich wollen wir nicht die ersten Irland-Besucher*innen seit 200 Jahren sein, die sich einen Sonnenbrand zuziehen.

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Mit den vielen Listen, Landkarten, Hinweisen und Wegbeschreibungen fühlen wir uns bestens vorbereitet. Da kann eigentlich nichts schief gehen. (Noch mehr „Berühmte letzte Worte“) Falls doch habe ich wenigstens eine schöne Grabinschrift.

Von Irischen Tagebüchern und Gebrauchsanweisungen

Fehlt nur noch die landeskundliche Vorbereitung auf unseren Urlaub. Mein Wissen über Irland ist nicht besonders groß. Sogar eher klein, um nicht zu sagen winzig.

Mein Irland-Bild ist hauptsächlich durch die Kerrygold-Butter-Werbung geprägt. Demnach besteht das Land aus vielen grünen Hügeln, Kühen und alten Männern mit Schiebermützen sowie rothaarigen Frauen, die in dick mit Butter beschmierte Stullen beißen. (So falsch ist dieses Bild wahrscheinlich gar nicht. Vielleicht abgesehen von den Bütterken essenden Rothaarigen.)

Ein paar irische Filme habe ich gesehen. Allerdings ist das schon länger her. The Commitments zum Beispiel. Ich erinnere mich jedoch nur noch an die Szene, in der die Band im Kreis steht und alle klopfen sich gegenseitig auf die Schulter, um sich zu beglückwünschen, aber ich weiß nicht mehr zu was.

Waking Ned habe ich während meines Auslandsstudiums in England geschaut. Wobei ich mir nicht hundertprozentig sicher bin, ob der Film überhaupt in Irland spielt. Da auf dem Filmplakat grüne Hügel abgebildet sind, wird es aber wohl so sein.

Von Fish & Chips haben wir sogar die DVD. Colm Meany (aka Chief O’Brien vom Raumschiff Enterprise) kommt während der WM 1990 auf die Idee seiner Arbeitslosigkeit ein Schnippchen zu schlagen, indem er zusammen mit einem Freund einen Fish & Chips-Imbisswagen eröffnet. Auch an diesen Film habe ich nur vage Erinnerungen. Eigentlich nur, dass er zu großen Teilen in Pubs spielt und dass zum Schluss der Imbisswagen im Meer versenkt wird.

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Ich beschloss, unseren Irland-Trip literarisch vorzubereiten. Zunächst mit Irisches Tagebuch von Heinrich Böll. Während meines Zivildiensts hatte ich einiges von ihm gelesen. Ansichten eines Clowns, Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder Wanderer kommst du nach Spa. Fand ich alles ziemlich gut. Außerdem dachte ich damals, ich könnte Frauen beeindrucken, wenn ich in Unterhaltungen einfließen lasse, dass ich Böll lese. Hat aber nicht wirklich funktioniert. Was unter anderem daran lag, dass die Anzahl meiner Unterhaltungen mit Frauen sehr überschaubar war.

Fast 30 Jahre später war ich vom Irischen Tagebuch nicht ganz so angetan. Zu viele schräge Metaphern für meinen Geschmack.

  • „… die Sicherheitsnadel, die alte keltisch-germanische Fibel, trat wieder in ihr Recht.“ (Was hat eine Nadel mit einer Fibel zu tun und wie kann sie in ein Recht treten?)
  • „Ein Leuchtfeuer bellte rot-weiß dem Schiff entgegen.“ (Wie viel Whiskey musst du trinken, damit du ein Leuchtfeuer bellen hörst?)
  • „.. wo es den Nektar Westeuropas in großzügigen Portionen um billiges Geld gab: Tee“ (What?)

Wahrscheinlich hat sich niemand im Verlag getraut, zu Böll zu gehen und ihm zu sagen: „Du Heinrich, bei den Sprachbildern musst du noch mal ran.“

Aber wer bin ich, dass ich mich über die Wortwahl und Ausdrucksweise eines Literaturnobelpreisträgers erhebe? Wahrscheinlich bin ich im Laufe der Jahre zu abgebrüht und zynisch geworden und es mangelt mir einfach an dem notwendigen Intellekt, um die poetische Kraft der Böllschen Sprache in all ihrer Schönheit zu erfassen.

Meine Eltern sehen das anscheinend ähnlich. Sie schenkten mir Gebrauchsanweisung für Irland von Ralf Sotschek. Das bewegt sich eher auf meinem Niveau.

Durch das Buch habe ich gelernt, dass Irland sehr dünn besiedelt ist – zumindest was Menschen angeht, bei Schafen sieht das schon anders aus –, und Mitte des 19. Jahrhunderts unter einer fürchterlichen Hungersnot litt. Damals starben eine Million Menschen und zwei Millionen wanderten aus, was eine Erklärung für die dünne Besiedlung ist. Irland ist außerdem sehr katholisch – was eine noch dünnere Besiedlung verhindert. Daher stehen Iren dem Protestantismus argwöhnisch-kritisch gegenüber. England noch argwöhnischer und kritischer. (Wegen ehemaliger Kolonialmacht und allem, was damit zusammenhängt.) Abgesehen davon, sollen die Iren äußerst freundliche Menschen sein.

Selbstverständlich steht in der Irland-Gebrauchsanweisung noch viel mehr. Schließlich hat das Buch über 200 Seiten. Aber das waren die Sachen, die ich mir behalten habe und, um ehrlich zu sein, wusste ich die auch schon vorher. (Außer das mit der Hungersnot.) Aber so ist das im zunehmenden Alter. Da verändert sich nicht nur dein Stoffwechsel, sondern auch die Speicherkapazität deines Gedächtnisses nimmt ab und wird unzuverlässiger. Du musst dann auf das zugreifen, was da schon länger rumliegt.

Ach ja, dass in Irland eine ausschweifende und mitunter maßlose Pub-Kultur gepflegt wird, habe ich mir auch gemerkt. Aber das war mir ebenfalls schon vorher bekannt.

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Etwas hat mir bei Bölls Irischem Tagebuch doch gut gefallen. Die Vorbemerkung.

„Es gibt dieses Irland: wer aber hinfährt und es nicht findet, hat keine Ersatzansprüche an den Autor.“

Das gleiche soll für mein Irisches Tagebuch gelten.


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