Auch dieses Jahr steigert der musikalische Adventskalender die Vorfreude auf das Weihnachtsfest ins Unermessliche. Diesmal mit ganz vielen phantastischen Gastautorinnen und Gastautoren, die ihre liebsten Lieder zur Weihnachtszeit vorstellen. Viel Spaß beim Hören!
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Seit einem Jahr schreibt Liz auf ihrem Blog ‘Kiddo the Kid’ und heute beehrt sie den musikalischen Adventskalender. Normalerweise sind ihre Themen das Leben mit ihrem Kind (dem Kiddo) und auch häufig über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber heute widmet sie sich der Musik. Im richtigen Leben arbeitet Liz als Texterin, aber eigentlich sollte sie für ihre phänomenalen, großartigen Blog-Texte mit Talern überhäuft werden, damit sie ausschließlich bloggt und wir täglich Neues von ihr lesen könnten. Das wäre schön.
Das Lied, das Liz vorstellt, stellt eigentlich eine Verletzung der Genfer Menschenrechtskonvention dar, aber in Kombination mit ihrem Text ist es eine liebenswürdige Hommage an ihre Mutter.
Soundtrack from hell: Rondo Veneziano.
Meine Kernfamilie, bestehend aus Muttern, Vattern und Bruderherz, hat es nicht so mit anlassbezogener musikalischer Untermalung. Weil Muttern sich aber irgendwie in den Kopf gesetzt hat, dass es bei uns wenigstens an Weihnachten stilvoll zugehen möge, kaufte sie Ende der Achtziger eine Doppelschallplatte: Rondo Veneziano. In Mutters Augen ein kühner, jedoch festlicher Kompromiss zwischen der Klassikfraktion, vertreten von vier Großeltern, und meinem Vater, der uns von Kindesbeinen an mit Fleetwood Mac, Police und Black Sabbath beschallte.
Wir haben es seit 1986 nicht übers Herz gebracht, meiner Mutter zu sagen, dass wir Rondo Veneziano weder für stilvoll noch für festlich hielten. Jahr für Jahr zog sie, während das Parfait im Gefrierfach seiner halbfesten Form entgegenfror, voller Vorfreude die Doppel-LP mit dem kitschig-schrecklichen Roboter-Venedig-Cover aus dem Plattenregal. In den folgenden Stunden fügten wir uns ins Unvermeidliche, ihr zuliebe. Nur vorübergehend legte Rondo Veneziano am Heiligen Abend eine Pause ein: Nämlich dann, wenn ich meinen Bruder beim Singen der jeweils gleichen drei Weihnachtslieder auf dem Klavier begleitete. Wir haben unsere Nachbarn nie gefragt, welche Art von Lärm sie eigentlich erträglicher fanden.
Anfang der Neunziger kam meine Mutter auf die Idee, ihren Weihnachtssoundtrack mit einem futuristischen, metallenen Baum zu ergänzen. Weil, modern! Und ohne lästige Nadeln. Mein Bruder, sonst ein friedliebendes Kind, randalierte umgehend. Der Metallbaum zog in den Keller. Ungefähr alle fünf Jahre stellt meine Mutter ihn probehalber wieder auf. Sobald mein Bruder eintrifft, gibt es erbitterte Diskussionen, und es muss in letzter Minute ein Tannenbaum beschafft werden.
Irgendwann zogen meine Eltern um. Auf dem Weg ins neue Haus ging der Plattenspieler kaputt. Alles wurde gut. Wir haben meiner Mutter nie verraten, dass es Rondo Veneziano auch als MP3 gibt.
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Vielen Dank, liebe Liz. Weniger für das Lied, aber für die tolle Geschichte dahinter.
Wer mehr von ‘Kiddo the Kid’ lesen möchte – und wer möchte das nicht? – kann dies hier tun:
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)