Auch dieses Jahr steigert der musikalische Adventskalender die Vorfreude auf das Weihnachtsfest ins Unermessliche. Diesmal mit ganz vielen phantastischen Gastautorinnen und Gastautoren, die ihre liebsten Lieder zur Weihnachtszeit vorstellen. Viel Spaß beim Hören!
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Die heutige Gastautorin tritt häufiger im Blog auf und zwar unter der Bezeichnung ‚Die Freundin‘. Sie ist Co-Gründerin des Familienbetriebs und aus für Außenstehende (und auch Innenstehende) unerklärlichen Gründen hält sie es seit 19 Jahren mit mir aus und nach so einer langen Zeit fragt man auch nicht mehr nach diesen Gründen, um sie nicht möglicherweise auf dumme Gedanken zu bringen. Das wir überhaupt zusammen sind, ist umso erstaunlicher, wenn man unsere unterschiedlichen, wenn nicht gar konträren Musikgeschmäcker kennt. Sie sind das musikalische Äquivalent zu Komplementärfarben. Als wir vor ungefähr 17 Jahren zusammenzogen, kamen wir gemeinsam auf ungefähr 180 CDs. Es war keine einzige Doppelte darunter!
Um zu vermeiden, dass unsere Beziehung im 20. Jahr in die Brüche geht und die Kinder bei nur einem Elternteil aufwachsen müssen, nehme ich Abstand davon, die Song-Auswahl der Freundin zu kommentieren (außerdem habe ich meine Meinung dazu ja auch schon im letzten Jahr zum Ausdruck gebracht). Allerdings möchte ich es als Zeichen meiner grenzenlosen musikalischen Toleranz verstanden wissen, dass das Lied nicht der musikalischen Zensur zum Opfer gefallen ist.
Bei der Freundin ist die Night silent
Bereits im vergangenen Jahr gab es »Silent Night« in der Interpretation von Bros im musikalischen Adventskalender zu bewundern – allerdings damals gespickt mit höhnischen Kommentaren des Herrn Familienbetriebs, die zu betriebsinternen Verwerfungen bis kurz vor der Auflösung des Familienbetriebs führten.
Ich ergreife nun die sich mir bietende Möglichkeit eines anderen Blicks auf diese, aus heutiger Sicht möglicherweise nicht ganz unfragwürdige, Interpretation dieses Weihnachtsklassikers. Die Band Bros (oder ist das vielleicht etwas zu hoch gegriffen? Sollte man doch eher von einer »Boygroup« sprechen?), soviel muss man vielleicht wissen, gehörte in meiner frühen Teenagerzeit zu meinen Helden. Ich war verliebt! In den Bassisten! Die adoleszenzschwangeren Songs »When will I be famous«, »Drop the boy« und »I quit« liefen bei mir Tag und Nacht – damals noch auf einer leiernden Kassette, abgespielt auf einem altersschwachen Kassettenrekorder.
In einer Zeit, in der Informationen, Bilder, Videos etc. nicht einfach im Internet verfügbar waren, habe ich in detektivischer Kleinstarbeit Informationssuche betrieben. Jedes Bild aus Bravo, Popcorn etc. wurde ausgeschnitten und feinsäuberlich in meinem Zimmer aufgehängt, jeder noch so kleine Bericht wurde hundert Mal gelesen, der grenzwertige Kleidungsstil der drei Jungs aus London so gut es ging kopiert. Meine damalige BFF (damals sagte man dazu noch beste Freundinnen – sie war unsterblich in den Sänger verliebt…) und ich schauten das Konzert-Video wahrscheinlich tausend Mal. Wir kannten jeden Move, nutzten die slow-motion Funktion des Videogeräts ausgiebig und wünschten uns nichts mehr, als einmal selbst beim Konzert dabei zu sein, ach was, wünschten uns die Typen, wollten die Kerle heiraten! Ich schäme mich (fast) nicht es auszusprechen: Ich war das, was man damals eine »Brosette« nannte… (ok… ich schäme mich doch ein bisschen…)!
»Silent Night« hatte ich als Single-Schallplatte käuflich erworben und hörte sie –zum Leidwesen meiner Eltern und Brüder – so oft es ging im Wohnzimmer, denn ich hatte selbst keinen Plattenspieler. Ich sang inbrünstig mit; jede noch so kleine Verzierung…! Und auch, wenn ich nie auf einem Bros-Konzert war, meine Musik mittlerweile eine andere ist, die Musik von Bros aus heutiger Sicht vielleicht sogar als die Grenzen des guten Geschmacks verletzend bezeichnet werden muss, die Typen möglicherweise nur bedingt begehrenswert erscheinen und meine Anforderungen an Verliebtsein heute deutlich über das Anhimmeln von Papierschnipseln und Videoaufzeichnungen hinausgeht: Für mich war es nicht nur der erste selbstgekaufte Weihnachtssong, es war der beste Weihnachtssong, den ich mir als 14jährige Brosette vorstellen konnte!
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Vielen Dank für dieses Stück aus dem musikalisch-visuellen Kuriositätenkabinett.
Wer mehr über die Freundin lesen möchte, schaut einfach regelmäßig hier auf dem Blog vorbei.
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)