¡Hola España! – Tag 03 (10.09.): Dem Meer ist alles egal

Der alljährliche Urlaubsblog. Aus Spanien. Nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Falls Sie, aus welchen Gründen auch immer, alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs lesen möchten, werden Sie hier fündig.

Erinnere mich beim Aufwachen, geträumt zu haben, aber nicht an was. Der Traum hat sich verflüchtigt, ist aus meinem Unterbewusstsein, meinem Bewusstsein und meinem Gedächtnis geflohen, aus der offenen Balkontür hinaus aufs offene Meer entflogen.

Das hat sich in meinem Kopf poetischer angehört als hier so niedergeschrieben. Ich lass’ das trotzdem stehen. So ein Urlaubsblog füllt sich schließlich nicht von allein.

Zu Träumen habe ich ein ambivalentes Verhältnis. Prinzipiell träume ich gerne. (Ausnahme: Albträume) Häufig erlebe ich schöne Dinge im Traum. (Nicht das, was Sie jetzt denken.) Umso größer ist die Enttäuschung, sobald sich herausstellt, dass alles gar nicht echt war. Als Kind war mein Lieblingstraum, mit Boris Becker Tennis zu spielen. Sie können sich nicht vorstellen, wie niedergeschlagen ich jedes Mal war, wenn mir klar wurde, ich habe nur geträumt.

Heute früh bin ich mir ziemlich sicher, dass mir Boris Becker nicht im Schlaf erschienen ist. Daran könnte ich mich erinnern.

Titelbild mit einem Rettungsschwimmer-Wachturm aus Holz, der am Strand steht. Der Turm ist von hinten mit Blick aufs Meer fotografiert.
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¡Hola España! – Tag 03 (10.09.): Dem Meer ist alles egal (Teil 2)

Teil 1


Meinen Gedanken nachhängen ist auch okay. Zum Beispiel über das Meer. Das war schon immer da und wird immer da sein. Zumindest bis die Erde verglüht, weil sich die Sonne in eine Supernova verwandelt hat.

Immer und ewig war das Meer natürlich nicht schon da. Aber schon seit tausenden Jahren. Seit zehntausenden. Oder hunderttausenden? Bestimmt noch viel länger, aber ohne Google weiß ich das nicht so genau.

Da musst du vorsichtig sein. Wenn du behauptest, das Meer und die Erde seien erst zehntausend Jahre alt, wirst du im günstigsten Fall für ungebildet gehalten und im ungünstigsten für einen die Evolution leugnenden Kreationisten. Und dann giltst du ganz schnell als Aluhut-Träger und Verschwörungstheoretiker und das will kein Mensch. (Außer du bist Kreationist, Aluhut-Träger und Verschwörungstheoretiker, dann kümmert dich das vermutlich nicht.)

Nun gut, ich weiß ohne Internetzugang nicht genau, wann der Urknall war und wann das Meer entstanden ist, aber ein paar Milliarden Jahre wird das schon her sein. (Ein paar Jahre mehr oder weniger sind bei so einer Zeitdimension nicht so entscheidend.)

Faszinierend, was das Meer schon alles erlebt hat. Die Dinosaurier, den Untergang des Römischen Reiches, die Renaissance, die Weltkriege, die Mondlandung, Helmut Kohl, Modern Talking und all die geschichtlichen Ereignisse in Asien, Afrika und Lateinamerika, von denen ich ohne Internetzugang auch nichts weiß.

Und dem Meer ist alles egal. Wirklich alles. Der Lieblingsverein hat verloren? Egal. Die private Altersvorsorge reicht nicht aus? Egal. Du schaffst es nicht, deinem ausuferndem Hüftspeck Einhalt zu gebieten? Egal. Friedrich Merz wird Bundeskanzler? Egal.

Gut, das Meer kann auch nicht „The Bear“ schauen, Käsekuchen essen oder am Kopf eines Babys riechen. Aber dafür ist ihm vollkommen wumpe, ob Friedrich Merz Bundeskanzler wird. Beneidenswert.

Bild von Strand und Meer
Meer, leidenschaftslos

Am Strand sind erstaunlich viele Frauen oben ohne unterwegs. Wegen nahtloser Bräune und so. Ebenfalls erstaunlich viele Frauen treiben am Strand barbusig Sport, spielen Beach Tennis oder machen Dehnübungen.

Für einen Moment dachte ich, wir liegen im FKK-Bereich, weil hier so viele halbnackte Frauen rumlaufen. Bestimmt ein Dutzend. Das ist ungefähr zwölfmal mehr als letztes Jahr in Portugal.

Nageln Sie mich nicht fest, ob es wirklich zwölf Oben-ohne-Frauen sind, die ich gesehen habe. Das ist eine Schätzung von mir, ich habe das nicht genau nachgezählt.

Du kannst schließlich nicht mit einer Strichliste über den Strand laufen und die Barbusigen durchzählen. Da giltst du ganz schnell als Perverser und mein Spanisch ist zu schlecht, um zu erklären, dass das rein wissenschaftlichen Zwecken dient. Dazu würde selbst mein Englisch nicht ausreichen, wahrscheinlich nicht einmal mein Deutsch.

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Abends Telefonat mit den Kindern. Zuerst mit der Tochter. Sie und C. schauen zurzeit eine Survival-Show auf Netflix, in der die Teilnehmenden mit sehr wenig Ausrüstung in Alaska überleben müssen. Das wäre nichts für sie, meint die Tochter. Sobald sie ein Geräusch hören würde, das nur im Entferntesten auf Bären oder Wölfe hindeutete, würde sie sofort die Leuchtfeuer-Pistole abfeuern, um zu signalisieren, dass sie abbrechen will.

Ich vermute, sie würde wahrscheinlich schon bei der Sichtung einer Spinne, einer Motte oder irgendeines Käfers die Pistole benutzen. Noch wahrscheinlicher würde sie bei so einer Show gar nicht mitmachen. Wobei das vielleicht eine interessantere Sendung wäre: eine Survival-Show mit lauter Insektenphobiker*innen.

Anschließend Video-Anruf beim Sohn. Seit unserer Abreise hat er einen Oberlippenbart und ein Kinnbärtchen kultiviert, was ihm das Aussehen eines spanischen Adligen verleiht. Zumindest aus einer bestimmten Kameraperspektive und bei schummrigem Licht. Und wenn du nicht weißt, wie spanische Adlige aussehen.

Er berichtet, er hätte jeden Tag Blumen gegossen, die sähen aber trotzdem voll trocken aus. Ich möchte nicht ausschließen, dass er die Blumengießerei irgendwann aus den Augen verloren hat und uns jetzt beibringen will, uns besser geistig schon mal von der Balkonbepflanzung zu verabschieden.

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Während des Abendessens fotografieren sich erneut zwei junge Frauen am Strand gegenseitig. Sie posieren stehend und sitzend vor den Wellen. Bestimmt war die heutige Aufgabe in der Influencer-Academy: Nutze die Natur als deine Kulisse.


Bilanz des Tages

  • 19 Kilometer gelaufen, 15 davon flott
  • 22.078 Schritte gegangen
  • 44,94 Euro im Supermarkt bezahlt
  • 1 Nickerchen vor dem Strandbesuch gemacht
  • 1 Nickerchen während des Strandbesuchs gemacht
  • 2 Telefonate mit den Kindern geführt
  • 1 Kniffel geworfen
  • 3 Partien Kniffel verloren

¡Hola España! – Tag 02 (09.09.): Do you need a good one or a normal one?

Der alljährliche Urlaubsblog. Aus Spanien. Nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Falls Sie, aus welchen Gründen auch immer, alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs lesen möchten, werden Sie hier fündig.

Kurz nach 7. Heute kein Weckerklingeln, wache von allein auf. Gehe auf den Balkon. Kaffee und Meerblick. Die Sonne noch nicht draußen, der Wind schon. Frisch. Septembermorgen.

Noch mag ich mich nicht so recht mit dem Gedanken anfreunden, laufen zu gehen. Unten marschieren zwei Frauen mit Handtüchern unter den Armen Richtung Strand. Frühschwimmer*innen. Somit gehen mir die Entschuldigungen aus, mich vor dem Sport zu drücken.

Nach der gestrigen langen Einheit sieht der Trainingsplan heute einen Erholungslauf vor. Fünfzehn Kilometer. Den Zusammenhang mit der Erholung muss mir der Plan noch erklären. Das Tempo soll gemütlich langsam sein. Ich war gestern schon ziemlich langsam. (Aber ohne Gemütlichkeit.) Um das zu unterbieten, müsste ich gehen. Oder sitzen.

Titelbild mit einer Müslipackung, die auf einem Glastisch steht. Die Packung spiegelt sich auf der Oberfläche des Tischs.
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¡Hola España! – Tag 02 (09.09.): Do you need a good one or a normal one? (Teil 2)

Teil 1


Döse am Strand vor mich hin, lausche dem Rauschen des Meeres und lasse meine Gedanken fließen. Stelle schnell fest, dass da gar nicht so schrecklich viel fließt. Vielleicht liegt das an der Urlaubsentspannung. Oder ich habe weniger Gedanken als ich dachte und noch weniger kluge. Besser nicht weiter darüber nachdenken, sondern einfach dem rauschenden Meer lauschen. Dem ist auch alles egal.

Meine Frau probiert die neue Taucherbrille aus. Die ist tatsächlich „very good“ und lässt kein Wasser durch. Trotzdem sieht sie nicht, was unter ihr passiert. Zu viel aufgewirbelter Sand. Da hätte auch die „more good“ Brille nicht geholfen.

Dämmere weiter vor mich hin. Das Meeresrauschen lässt mich allmählich in ein Nickerchen abdriften. Von links weht spanisches Stimmengewirr herüber, das in seinem schnellen Stakkato an Maschinengewehrsalven erinnert.

In der Ferne ist Kinderlärm zu hören. Kein fröhliches Juchzen oder glucksendes Kichern, sondern die Art von Kreischen, vor dem sich alle Eltern fürchten. Weil du entweder keine Ahnung hast, was deinem Kind nicht passt, oder du weißt es, kannst aber nichts daran ändern. Weil das Kind nun mal beim Straße überqueren an der Hand gehen soll, egal ob es will oder nicht, oder noch mal eingecremt werden muss oder seine nasse Badehose ausziehen soll.

Ich bin froh, dass unsere Kinder so groß sind, dass sie nicht mehr hysterisch kreischen, wenn ihnen etwas nicht passt. (Und ein bisschen wehmütig, dass sie so groß sind, dass sie nicht mehr mit uns in Urlaub fahren.) Am liebsten würde ich den Eltern des eskalierenden Kindes zurufen: „Fürchtet euch nicht. Alles wird gut.“

Menschenleerer Strand, Meer und wolkenloser Himmel
Strand, Tag am

„Hola, Massages?“ Eine Frau läuft über den Strand und bietet Massagen an. Ich stehe Massagen eher ablehnend gegenüber. Ich möchte nicht von einer mir unbekannten Person angefasst und durchgeknetet werden. Ich möchte nicht einmal von einer mir bekannten Person durchgeknetet werden. Die Vorstellung, dass ich dabei auf dem Strand liege und mir Sand an alle Körperteile und in alle Körperöffnungen weht, macht das Ganze noch unattraktiver.

Die Masseurin stampft resolut über den Sand. Ihr „Hola, Massages?“ klingt weniger nach Frage, sondern mehr nach Aufforderung, wenn nicht gar Befehl. Ich lehne trotzdem mit einem schüchternen „No, gracias“ ab. Die Frau geht missmutig weiter und bellt weiter ihr „Massages“ über den Strand.

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Während des Abendessens beobachten wir diesmal zwei Frauen am Meer, die sich gegenseitig dabei fotografieren oder filmen, wie sie ins Meer rennen. Immer wieder stürmen sie in die Wellen, kontrollieren die Aufnahme, sind nicht zufrieden und es geht wieder von vorne los. 20 Minuten lang. Dann verlassen sie pitschnass den Strand und gehen in Richtung des Hotels, das hinter unserer Ferienwohnung liegt.

Vielleicht findet dort eine Influencer-Academy statt, bei der die Teilnehmer*innen jeden Tag Content am Strand erstellen müssen.

Blick vom Balkon auf den menschenleeren, abendlichen Strand
Strand, abendlich (ohne Strandfluencerinnen)

Bilanz des Tages

  • 15,01 Kilometer gelaufen
  • 27. 875 Schritte gegangen
  • 1 Supermarktbesuch (37,88 Euro)
  • 0 Fake-Produkte an der Promenade gekauft
  • 1 Paar Fake-Flip-Flops in Salou erworben
  • 1 “good one” Taucherbrille in Cambrils erstanden
  • 2 Irish Pubs gesehen
  • 3 Kniffel geworfen (alle ich)

¡Hola España! – Tag 01 (08.09.): Lauf, Christian, lauf

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6 Uhr. Der Wecker klingelt. Das ist immer unschön und in den Ferien ganz besonders. Ein klingelnder Wecker steht für Alltag, calvinistische Arbeitsmoral und schaffe-schaffe-Häusle-baue-Mentalität, aber nicht für Müßiggang, Erholung und Entspannung.

Wer auch nicht für Müßiggang, Erholung und Entspannung steht? Der 35-Kilometer-Lauf, den ich heute absolvieren muss. Der ist der Grund, warum ich so früh aufstehen muss, Urlaub hin oder her. Später wird es zu warm, zu anstrengend und obendrein bleibt dann vom Tag nicht mehr allzu viel übrig.

Selbstverständlich muss ich heute keine 35 Kilometer laufen. Das ist nicht gesetzlich vorgeschrieben und neben meinem Bett steht auch niemand mit Pistole im Anschlag und zwingt mich dazu.

Die Misere habe ich mir selbst eingebrockt. Mein Freund A. und ich haben uns vor einem dreiviertel Jahr für den Marathon in Köln angemeldet. Der findet Anfang Oktober statt und wenn du da vorher nicht fleißig lange Läufe gemacht hast, wird das eine sehr, sehr unschöne Veranstaltung. (Noch unschöner als im Urlaub um 6 Uhr aufzustehen.)

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¡Hola España! – Tag 01 (08.09.): Lauf, Christian, lauf (Teil 2)

Teil 1


Das Gute daran, deinen langen Lauf am Morgen zu machen? Du hast ihn hinter dir und den Rest des Tages vor dir. Das Schlechte daran? Du bist so fertig, dass du zu nichts mehr in der Lage bist und nur noch antriebslos abhängen willst.

Wir gehen trotzdem an den Strand. Hier sind erfreulich wenige Menschen. (Stichwort Nebensaison) Der Sand ist feinkörnig, vor dem Wasser ist allerdings ein breiter Streifen mit getrockneten Algen, Tang, kaputten Muscheln, Holzstöckchen und was die Wellen sonst noch so anspülen. Das trübt das Stranderlebnis ein wenig ein. Visuell und sensorisch, wenn du darüber latschst.

Strand, Meer, Himmel

Aber ich möchte nicht meckern. Schließlich gibt es kaum etwas Unsympathischeres, unangenehm Privilegierteres und Abgehobeneres, als sich im Urlaub über die Beschaffenheit des Strandes zu mokieren. Was kommt da als nächstes? Sich über das im Hals kratzende goldene Löffelchen beschweren, dann die Grünen dafür verantwortlich machen und schließlich die FDP wählen?

Dafür ist das Wasser angenehm temperiert. Meint zumindest meine Frau. Ich erfülle meine Pflicht und bewache die Handtücher sowie unsere Badetasche mit Getränken, Büchern und Handys. Einer muss das ja übernehmen.

Am Strand laufen nur wenige Möwen aber erstaunlich viele Tauben rum. Keine Ahnung, ob die aus der Gegend sind oder hier kostenbewusst Urlaub in der Nebensaison machen.

Ungefähr 50 Meter links von uns sitzt ein älteres Ehepaar auf zwei Klappstühlen unter einem bunt gestreiften Sonnenschirm. Ich denke, in fünfzehn Jahren könnten wir das sein. Vielleicht auch in zehn. Meine Frau hofft in fünf.

Abendessentisch, gedeckt

Während wir auf dem Balkon zu Abend essen, filmt sich am Strand eine junge Frau, wie sie Dance Moves in den Wellen macht.

Zuerst schwingt sie ihren Kopf ganz schnell – das würde bei mir ein Schleudertrauma oder einen Brechanfall auslösen (wahrscheinlich beides) –, dazu bewegt sie wild die Arme – dabei würde ich mir die Schulter auskugeln –, dreht dann eine Pirouette – das ist bei mir motorisch ausgeschlossen –, geht mit weit gespreizten Beinen in die Kniebeuge – das traue ich mir zu – und tanzt schließlich mit weiten Schritten aus dem Bild raus – das traue ich mir ebenfalls zu, würde den Anblick aber niemandem zumuten wollen.

In meinen Augen und aus der Ferne sah das ziemlich gut aus. Die Strand-Tänzerin ist allerdings anderer Ansicht. Immer wieder und wieder wiederholt sie ihre Choreographie, überprüft die Aufnahme, geht zurück ins Wasser und fängt von vorne an. Drei-, vier-, fünf-, sechsmal und nochmal und nochmal und nochmal. Obwohl ich das ein bisschen albern finde, sich beim Tanzen am Strand zu filmen, bewundere ich ihren Ehrgeiz, ihr Durchhaltevermögen und ihren Sinn für Perfektionismus.

Nach einer halben Stunde packt sie zusammen und verlässt den Strand. Anscheinend war sie nun mit dem Ergebnis zufrieden. Oder sie muss nach Hause, weil es Abendbrot gibt.


Bilanz des Tages

  • 35,01 Kilometer gelaufen
  • 43.235 Schritte zurückgelegt
  • 3,5 Liter getrunken
  • 2. Supermarktbesuch (65,89 Euro)
  • 1. richtiger Strandbesuch
  • 0 Meerbesuche
  • 0 Kniffel (Und 0 Full House und nur 1 Große Straße meinerseits)

¡Hola España! – Barcelona (2) (06.09.): Saubere Brillen und wütende Kartoffeln

Der alljährliche Urlaubsblog. Aus Spanien. Nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Falls Sie, aus welchen Gründen auch immer, alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs lesen möchten, werden Sie hier fündig.

7 Uhr, der Handywecker klingelt. Den habe ich gestellt, weil ich in der Frühe laufen will. Der Gestern-Abend-Christian hielt das für eine gute Idee. Der Heute-Morgen-Christian ist davon wenig begeistert, hält den Gestern-Abend-Christian für einen riesigen Trottel und überlegt, das Laufvorhaben zu den Akten legen, bevor es beginnt.

Das preußische Pflichtbewusstsein und die protestantische Arbeitsethik halten aber nichts von zu-den-Akten-legen und auch nichts von Müßiggang oder Laissez-faire und übernehmen das Kommando. Also muss ich meine Laufklamotten anziehen und finde mich kurz danach vor dem Hotel wieder. Das liegt an einem Anstieg, womit sich mir zwei Optionen bieten: Entweder nach links – abwärts oder nach rechts – aufwärts.

Entscheide mich für rechts, dann kann ich später auf dem Rückweg runter laufen. In der Theorie ein bestechender Plan, in der Praxis nicht ganz so, denn nun muss ich erstmal hochlaufen. Sehr lange und sehr steil. Der Jetzt-hochlaufen-Christian hält den Später-runterlaufen-Christian für einen miesen Egoisten, was den aber nicht weiter stört, dafür darf er ja nachher gemütlich den Hügel hinabtraben.

Titelbild mit einer Wandinstallation aus rot-pinken Getränkedosen, auf denen "I wann love you every day and every night" steht.
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¡Hola España! – Barcelona (2) (06.09.): Saubere Brillen und wütende Kartoffeln (Teil 2)

Teil 1


Im Anschluss an die Tour schlendern wir durch den Stadtteil El Raval, durch eine enge Gasse, die links und rechts von kleinen Geschäften und Shops gesäumt ist, manche trashig, manche hochwertig.

Normalerweise bin ich gegen das Werben von Straßenhändlern immun. Ich laufe mit mittelmäßig freundlichem Gesicht an ihnen vorbei und sage mittelmäßig freundlich „No, thank you“, ohne richtig darauf zu hören, was sie zu mir sagen.

Nicht weil ich per se ein unhöflicher Mensch bin. Eher im Gegenteil. Das ist Selbstschutz. Bin ich erstmal in ein Gespräch verwickelt worden, gibt es für mich so gut wie keine Möglichkeit, was auch immer mir angeboten wird, nicht zu kaufen. Schließlich möchte ich die Person nicht kränken. (Beweisstück A: Eine WWF-Fördermitgliedschaft, die ich während des Zivildiensts an der Tür meines Schwesternwohnheim-Zimmers abschloss und erst fünfzehn Jahre später kündigte.)

Heute erwischt mich allerdings ein junger Mann auf dem falschen Fuß. Auf sein „Hello, Sir, how are you?“ versagt mein reflexartiges „No, thank you“. Stattdessen erwidere ich: „Pardon?“ (Warum, Christian, warum?)

Daraufhin lässt er ein paar Small-Talk-Floskeln los, um dann festzustellen, meine Brille sei schmutzig. Das ist einerseits etwas distanzlos, fast schon unverschämt, andererseits aber auch zutreffend. Meine Brille ist tatsächlich schmutzig. Eigentlich immer.

Wenig überraschend hat der Verkäufer eine Lösung für mein Schmutzige-Brille-Problem: ein Putzmittel auf Aloe-Vera-Basis, das durch irgendeine Weltraumtechnologie dafür sorgt, dass die Brille nach der Reinigung tagelang nicht von neuem Schmutz behelligt wird. Das demonstriert er an meiner Brille und weil er schon dabei ist, auch an der meiner Frau.

Für ein überschaubar großes Fläschchen des Wundermittels, circa 200 Milliliter, ruft er einen Preis von 25 Euro auf. Weil ich dazu nichts sage, geht er auf 20 Euro runter. Allerdings ist mir das auch zu teuer. Mein Schweigen ist keine Verhandlungstaktik, sondern ich würde das Putzmittel nicht einmal für fünf Euro kaufen.

Ich nehme all meine Kraft zusammen, die mir als People Pleaser zur Verfügung steht, und erkläre, wir hätten kein Interesse. Der junge Mann sagt, dass sei kein Problem, falls wir es uns anders überlegten, könnten wir ja wieder kommen. Im beiderseitigen Wissen, dass das nicht passieren wird, verabschieden wir uns und gehen weiter.

Mir tut das etwas leid. Hätte ich sofort „No, thank you“ gesagt, hätte ich ihm – und uns – Zeit gespart. Allerdings hätte ich dann nicht tagelang eine saubere Brille.

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Um etwas zu entspannen, suchen wir die Jardins de Rubio i Lurch auf, einen Stadtpark in einem historischen Krankenhaus, der von Mit Vergnügen als „unerwartete Oase“ angepriesen wurde. Dort könne man eine „Pause vom Trubel der Stadt“ einlegen, unter blühenden Orangenbäumen lesen oder Schach mit katalanischen Opas spielen. Das hört sich gut an. (Außer das mit den Schach spielenden katalanischen Opas. Auf die könnte ich verzichten. Nicht weil sie Opas sind und aus Katalonien stammen, sondern wegen des Schachspielens.)

Als wir den Park erreichen, entpuppt er sich als weit weniger idyllisch als bei Mit Vergnügen beschrieben. Eher als Sammel- und Schlafplatz von Obdachlosen und Drogenabhängigen, was nicht unbedingt meinem Verständnis von „unerwarteter Oase” entspricht. (Wobei, unerwartet war es auf seine Weise schon.)

Also legen wir unsere Rast stattdessen am nahegelegenen Playa de Sant Josep ein, einem Platz an einer großen Markthalle mit vielen Lokalen und Bars. Wer dort allerdings auch Rast macht, sind monströs große Möwen. Die machen den Eindruck, als duldeten sie die herumsitzenden Menschen lediglich. Wir beschließen, Ausruhen ist überbewertet und gehen weiter.

Unschönes Erlebnis auf dem Rückweg zum Hotel: In El Born werden wir Zeuge eines Diebstahls. Ein junger Typ versucht einer indischen Touristin die Kette vom Hals zu reißen, was ihm nach kurzem Gerangel gelingt. Meine Frau und ich wollen der Inderin zur Hilfe eilen, aber bis wir kapiert haben, was da gerade passiert, rennt der Dieb schon weg.

Reflexhaft laufe ich ihm ein Stück hinterher, um ihn zu verscheuchen. Dann fällt mir auf, dass er die Kette ja bereits hat und ich ihn folglich einholen müsste, um hier irgendetwas zu bewirken. Was würde aber passieren, wenn ich ihn tatsächlich stelle. Muss ich ihm dann eine reinhauen? Oder macht er das bei mir? Halte das zweite Szenario für wesentlich realistischer und breche die Verfolgung nach wenigen Metern ab.

Ein paar junge Männer kümmern sich derweil um die indische Frau. Wir gehen weiter und halten unsere Rucksäcke und Taschen etwas fester als vorher.

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Fürs Abendessen hat meine Frau eine weitere Tapas-Bar bei Google ausfindig gemacht. La Pepita kann eine 4,5-Sternebewertung vorweisen und liegt knapp zwei Kilometer von unserem Hotel entfernt im Künstlerviertel Gracia.

Der Stadtteil verströmt leichte Prenzlauer-Berg-Vibes, nur die Leute sehen hier nicht ganz so unangenehm hip aus. Vielleicht kann ich das aber auch nicht so gut beurteilen, weil ich nicht weiß, was in Spanien als hip gilt. (Um ehrlich zu sein, vermag ich das in Deutschland ebenso wenig einzuschätzen.)

Graffiti-Bild auf einem bodentiefen Rolladen: Ein grüner Comic-Drachen, neben seinem Kopf ist ein Herz
Drache, herzlich

Nach kurzer Wartezeit vor der Bar (Stichwort: Freitagabend und keine Reservierung) bringt uns eine junge Frau an der Theke vorbei in den hinteren Teil des Lokals zu unserem Tisch.

Ein junger Mann hinter dem Tresen trägt ein schwarzes T-Shirt mit dem Aufdruck: „I am not rude I just have the balls to say what everyone else is thinking.“ Ein erstaunliches Statement für jemanden, der in der Gastronomie arbeitet. Gleichermaßen überheblich und unhöflich. Vielleicht ist sein „I am not rude I am just a fucking asshole“-Shirt gerade in der Wäsche.

Bei der Bestellung überfordert mich das Prinzip Tapas ein wenig. Ich möchte fast alles probieren, was auf der Karte steht, weiß aber nicht, wie groß die Portionen sind und wie viele Gerichte du nehmen kannst, bevor die Leute dich für Jumbo Schreiner halten, der versucht, einen Weltrekord im Tapas-Essen aufzustellen.

Wir ordern Chorizo, Käse mit Weintrauben und Rosinen, frittierte Auberginen auf Ziegenfrischkäse mit Apfelraspeln und die wütenden Kartoffeln. So wütend finde ich sie später gar nicht, nur gut gewürzt. Dazu nehmen wir einen halben Liter Sangria und weil man auf einem halben Bein schlecht steht, später noch einen halben.

Als die ersten Speisen auf unserem Tisch stehen, bin ich unsicher, ob ich sofort mit dem Essen anfangen kann oder auf den Rest warten muss oder das gerade nicht tun sollte, weil dann jeder weiß, dass ich ein ignoranter Trottel bin, der hier eigentlich nichts zu suchen hat. (Kulinarischer Luxus-Stress im Urlaub)

Neben uns sitzt ein amerikanisches Paar, etwas älter als wir. Sie bekommen ununterbrochen neue Tellerchen, Schüsselchen und Brettchen mit Leckereien gebracht. Ich glaube, sie haben das Tapas-Game noch weniger verstanden als wir.

Wir kommen mit ihnen ins Gespräch und erfahren, dass sie aus North Carolina sind, er hat deutsche Vorfahren, die er aber nicht kennt. Amerikaner*innen sind so angenehm small-talk erprobt, da fällt selbst mir eine Unterhaltung leicht. Sie wollen nie etwas von dir und freuen sich überschäumend, wenn du sagst, du kommst aus Deutschland („That’s amazing!“) – sicherlich freuen sie sich genauso, wenn Italiener oder Franzosen erzählen, wo sie herkommen – und nach ein paar Minuten gehen alle fröhlich ihrer Wege.

Damit die beiden sich mit ihrem vielen Essen nicht so schlecht fühlen, bestellen wir noch Nachtisch. Irgendetwas sehr Schokoladiges und Mais-Eis mit Popcorn. Beides köstlich.


Bilanz des Tages

  • 10 Kilometer gelaufen
  • 34.235 Schritte gegangen
  • 0 Brillenputzmittel gekauft
  • 0 Überfälle vereitelt
  • 1 Liter Sangria getrunken

¡Hola España! – Barcelona (1) (05.09.): Immer geradeaus (Teil 2)

Teil 1


Wir gehen weiter und wollen zum Stadtstrand. Meine Frau war letztes Jahr auf ihrer Barcelona-Dienstreise bereits dort und kam auf dem Weg dorthin durch ein schönes Viertel. Dieses Stadtspaziergang-Erlebnis möchte sie nun rekonstruieren. Im November sei sie immer geradeaus gelaufen und nach einem kurzen Blick auf Google Maps meint sie, das müsste diesmal auch klappen.

Ich finde das nicht ganz logisch. Dazu müssten wir ja ungefähr vom gleichen Punkt starten wie sie seinerzeit. Im Gegensatz zu mir kann meine Frau aber mit der Autorität ihres einen Barcelona-Besuchs sprechen. Ich war vor fünfzehn Jahren lediglich mal in Madrid, was mir keinerlei Kompetenz-Pluspunkte bezüglich der Stadtgeographie Barcelonas einbringt. Folglich behalte ich meine Bedenken für mich.

Wir gehen also geradeaus. Eine sehr breite Straße entlang mit breiten Radwegen und breiten Bürgersteigen. Dann weiter geradeaus und noch mehr geradeaus. Ein Schild bewirbt den städtischen Zoo. Die Richtung zeigt aber nicht geradeaus, so dass wir ihn nicht sehen werden.

Wir kommen an einem Uni-Gebäude vorbei. Eine Bibliothek oder eine Mensa. Keine Ahnung. Ich kann mich nicht mehr so gut konzentrieren. Vom vielen geradeaus laufen bin ich etwas erschöpft.

Ich frage meine Frau, wie weit es noch ist. „Nicht mehr weit“, sagt sie und hält mir ihr Handy vors Gesicht. „Nur noch ein paar Zentimeter.“ Ich überlege, ob dies der richtige Zeitpunkt ist, um sie darauf aufmerksam zu machen, dass auf einem Handydisplay alles nur ein paar Zentimeter entfernt ist, und komme zu dem Schluss, dass er es nicht ist.

Allmählich meldet sich bei uns ein kleines Hüngerchen. Das ist ein Problem. Mit Hunger kann meine Frau nicht so gut umgehen. Sie wird dann ein bisschen unleidlich. (Das schreibe ich mit der mir größtmöglichen Zuneigung, auf der unsere 27-jährige Partnerschaft basiert.) Mir macht Hunger nicht so viel aus. Allerdings kann ich hungrig mit der Hungerunleidlichkeit meiner Frau nicht so gut umgehen. Somit bedroht unser Kaloriendefizit die eheliche Harmonie und damit auch die gute Urlaubsstimmung.

Wir beschließen, zu McDonald’s zu gehen, um den nächsten Punkt von unserer Städtereisen-Liste zu streichen. Ein Besuch bei dem US-amerikanischen Fast-Food-Riesen ist ohne Frage in vielerlei Hinsicht problematisch: kulinarisch, kalorisch und ökologisch, um nur ein paar Punkte zu nennen.

Im Ausland bei McDonald’s zu essen, ist geradezu kulturlos, frevelhaft und ignorant. Wie sollst du etwas über eine andere Kultur lernen, wenn du zu einem global agierenden Einheits-Burger-Bräter gehst? Gerade dadurch, denn aus ethnologischer Sicht ist aufschlussreich, welche landesspezifischen Burger, Speisen und Angebote dort angeboten werden.

Im spanischen McDonald’s stehen beispielsweise ein paar Desserts auf der Karte, die ich aus Deutschland nicht kenne. (Was auch daran liegen könnte, dass ich in Deutschland nicht so oft zu McDonald’s gehe und keinen aktuellen Überblick über die dortige Auswahl habe.) Zum Beispiel frittiertes Schmalzgebäck, das mit Vanille- oder Schokocreme gefüllt ist. Das wäre in Deutschland schon deshalb nicht möglich, weil man sich nicht einigen könnte, wie das heißt: McBerliner, McPfannkuchen, McKrapfen oder McKreppel.

Wirklich überraschend ist die spanische McDonald’s-Speisekarte aber in anderer Hinsicht: Wir finden keinen einzigen vegetarischen Burger. Ich google extra, ob das wirklich so ist oder wir einfach zu doof sind. Sind wir nicht. Wenn du hier fleischlos essen möchtest, musst du zu Pommes in unterschiedlichen Variationen greifen und aufpassen, dass du dazu nicht versehentlich die Käsesauce mit Schinkenstückchen nimmst. Oder du wählst die Schmalzbällchen, aber das ist als Mittagessen auch nicht das Wahre.

Als moralisch flexibler Vegetarier entscheide ich mich für den Hamburger Royal, für das gute Gewissen in der TS-Variante mit Tomate und Salat. Geschmacklich kann ich keinen Unterschied zu seinem deutschen Kollegen feststellen.

Eines haben McDonald’s-Besuche in allen Ländern gemein: Das Essen schmeckt auf seine eigene, spezielle Weise okay, aber du verlässt den Laden immer mit schlechtem Gewissen. Weil du dir gerade ungesunden Scheiß reingepfiffen hast und außerdem weißt, dass du in einer halben Stunde wieder Hunger hast.

Nun ja.

Nach unserer Expedition in die spanisch-US-amerikanische Systemgastronomie finden wir doch noch den Stadtstrand. Auf dem Meer findet gerade eine Louis-Vuitton-Soundso-Regatta statt. Für Laien ist kaum nachvollziehbar, was da passiert. Ein paar große Segelboote fahren von links nach rechts, ein paar andere von rechts nach links. Trotzdem verfolgt eine nicht unerhebliche Menge das Geschehen auf dem Wasser, einige sogar mit monströs großen Feldstechern.

Am Ufer ist eine riesige Leinwand fürs Public Viewing aufgebaut, ein Mann kommentiert, damit alle wissen, wann es spannend wird. Ab und an brandet Szenenapplaus auf.

Das Publikum ist männlich geprägt mit einer hohen Dichte an braunen Lederslippern, weißen Bermudas und langärmligen Ralph-Lauren-T-Shirts. Die Uniform der Besser- und Bestverdienenden.

Der Strand ist gut gefüllt. Fliegende Händler laufen durch die Menge und bieten ihre Waren und Dienstleistungen an. Softdrinks, Tücher, Massagen, Flechtfrisuren, Bier, Sangria, Cocktails und vieles mehr.

Niemand kauft etwas. Wer will schon Sangria, Caipirinha oder Mojito trinken, der seit zwei Stunden durch die spätsommerliche Nachmittagshitze getragen wurde?

Alles ist verboten.

Nach dem Stadtstrand wollen wir noch auf einen Aussichtspunkt, um Barcelona von oben anzuschauen. (Siehe Punkt 1 der Städtereisen-Liste) Die Mit-Vergnügen-Seite „Barcelona-Geheimtipps (sic!) – 11 Orte abseits der touristischen Ecken“ schlägt dafür den Parc Carmel vor. Der liegt oberhalb des bekannteren Parc Güell, den ebenfalls der Baumeister-Tausendsassa Antoni Gaudi entworfen hat, und kostet im Gegensatz zu diesem keinen Eintritt. Das freut den kostenbewussten Urlauber – sprich mich.

Google Maps gibt die Entfernung vom Strand zum Park mit ungefähr sechs Kilometern und anderthalb Stunden Fußmarsch an. Wenigstens nicht immer geradeaus.

Als wir nur noch einen Kilometer entfernt sind, liegt die Zeitdauer laut Google bei 28 Minuten. Das finde ich ziemlich üppig bemessen und wundere mich, ob das die Angabe für Rollatoren-Senior*innen. Aber nur bis ich den Anstieg sehe, den wir noch bewältigen müssen. Ich weiß nicht, wie viel Prozent die Steigung hat, glaube nun aber zu wissen, wie sich Tour-de-France-Fahrer fühlen, wenn sie nach Alpe d’Huez hoch radeln. Besser als wir.

In Trippelschritten schleichen wir den Berg hinauf. Zwischendurch überholen wir einen jungen Mann, der den größten Joint raucht, den ich je gesehen habe. Cartoonhaft groß. So groß, dass Markus Söder vor Wut seinen Maßkrug gegen die Wand werfen würde. Vielleicht halluziniere ich das auch nur.

Beim Parc Güell angekommen, haben wir es fast geschafft. Denken wir. Weil wir nicht mit den Treppenstufen gerechnet haben, die den restlichen Hügel hochgehen. Und schon gar nicht mit so vielen Treppenstufen. Mehr als 300. Es sind 320, um genau zu sein. Ich habe sie gezählt.

Während wir langsam Stufe für Stufe nehmen, kommt ungefähr auf der Hälfte ein Jogger an uns vorbeigesprungen. Mieser Streber.

Oben werden wir tatsächlich mit einem phantastischen Blick über Barcelona belohnt. Die Sagrada Familia ist zu sehen, der Stadtstrand, die quadratisch angelegten Stadtviertel und der Torre Agbar, ein 142 Meter hoher Wolkenkratzer, der eine nicht zu leugnende Ähnlichkeit mit einem Riesendildo aufweist.

Abendessen in der Hasta los Andares, einer Tapas Bar, die meine Frau bei Google gefunden hat und die mit den Vorzügen „fußläufig zum Hotel“ und einer 4,8-Sterne-Bewertung aufwarten kann.

Die Bar ist eng, trubelig, erstaunlich hell, aber trotzdem nicht ungemütlich. Hinter der Theke schauen wir einer Frau bei der Tapas-Zubereitung zu. Ein beruhigendes Zeichen, wenn die Küche nichts zu verbergen hat.

Wir bestellen eine Auswahl an Käse sowie Wurst und Schinken, dazu gibt es katalanisches Brot mit Tomate. Ich habe keine Ahnung, was wir da genau essen – obwohl der Kellner uns es erklärt hat –, aber alles ist köstlich. Dazu trinken wir Sangria, das erste Mal in unserem Leben. Meine Frau findet, es schmeckt ein wenig nach Glühwein, nur in kalt, bizzelig und lecker. Und nach mehr, so dass wir Nachschub ordern.


Bilanz des Tages

  • 4 Stunden Zug gefahren
  • 6 Stationen mit der U-Bahn zurückgelegt (1x umgestiegen)
  • 26.717 Schritte und 21,9 Kilometer gelaufen
  • 320 Stufen hochgegangen
  • 320 Stufen runtergegangen
  • 3 Sangria getrunken

¡Hola España! – Anreise (04.09.): Auf Kaffeefahrt mit der Deutschen Bahn

Der alljährliche Urlaubsblog. Aus Spanien. Nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Falls Sie, aus welchen Gründen auch immer, alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs lesen möchten, werden Sie hier fündig.

Wache orientierungslos auf und weiß nicht wer, wo und wann ich bin. Laut dem Stand der Dämmerung könnte es 4 oder schon 9 Uhr sein. Letzteres wäre ungünstig, Unser Zug fährt um 8.30 Uhr am Hauptbahnhof los.

Der Radiowecker zeigt 5.30 Uhr an. Alles im grünen Bereich. Außer dass ich eine Stunde länger hätte schlafen können.

Dafür kann ich alles etwas geruhsamer angehen lassen. (Positiv denken.) Kaffee trinken, aufs Klo gehen, Spülmaschine ausräumen, einen weiteren Kaffee trinken, duschen, Provianttasche fertig richten, Kaffee Nummer drei, nochmal Toilette. Als ich den nächsten Kaffee machen will, sagt die Blase, jetzt sei es mal gut mit dieser Kaffeetrinkerei, sonst würde ich die halbe Fahrt auf der Bordtoilette verbringen und das sei wirklich der letzte Ort, an dem du dich in einem Zug aufhalten möchtest.

Titelbild mit einem Papp-Kaffeebecher der Deutschen Bahn, der auf einem Ausklapptischchen in einem ICE steht. Auf dem Becher steht: Genuss auf ganzer Strecke.
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