„Wissen macht: Hä?“, meine immer noch recht neue Infotainment-Rubrik mit weiterhin mittelmäßig wenig Info und mittelmäßig viel tainment zu Jahres- und Feiertagen, geschichtlichen Ereignissen sowie aktuellem Zeitgeschehen. Wer regelmäßig „Wissen macht: Hä?“ liest wird wahrscheinlich nicht klüger, aber auch nicht dümmer. Vielleicht.
14. Mai ist Muttertag. Der Tag, an dem Mütter geehrt und gefeiert werden, in der Hoffnung, sie vergessen dann, dass sie die restlichen 364 Tage im Jahr in schlechter bezahlten Jobs arbeiten, in gut bezahlten Jobs weniger Geld als Männer bekommen, mehr Haus- und Carearbeit als Väter übernehmen und dafür mit einem erhöhten Risiko von Altersarmut belohnt werden.
Sollten Sie der Meinung sein, die Schnittblumenindustrie und die Nazis haben den Muttertag erfunden, liegen Sie falsch. Aber auch ein bisschen richtig. Tautologische Sätze mit wenig Aussagekraft und noch weniger Erkenntnisgewinn. Willkommen bei „Wissen macht: Hä?“
In der neuesten „Wissen macht: Hä?“-Ausgabe erfahren Sie, was wirklich der Ursprung des mütterlichen Ehrentages ist, wie er nach Deutschland kam, was die beliebtesten Geschenke zu Muttertag sind und noch viel mehr. Wie immer – das heißt, wie in der ersten Ausgabe – ist das hier alles knallhart recherchiert, streng evidenzbasiert und so fundiert, dass sie es mit ihrem neuen Wissen locker bis zur 50-Euro-Frage bei Günther Jauch schaffen.
1) Mutti ist die Beste: Die Anfänge des Muttertags
Angeblich liegen die ersten Ursprünge des Muttertags in der Antike. Dort gab es bereits einen Mutterkult. Und zwar um Rhea. Diese war eine Titanidin, das heißt, eine weibliche Titanin, das heißt, Mitglied eines mächtigen Göttergeschlechts, und sie galt als Mutter der Götter und der Menschen.
Rhea war die Gemahlin ihres Bruders Kronos. Das war damals kein großes Ding, denn Inzucht war in der Antike sozial einigermaßen akzeptiert und Sodom und Gomorrha waren beliebte Naherholungsstädtchen. Der gute Kronos hatte ziemlich einen an der Waffel. Das könnte unter anderem daran gelegen haben, dass er der Sohn von Gaia und Uranos war, ihres Zeichens Mutter und Sohn. Einer Prophezeiung zufolge sollte Kronos irgendwann von einem seiner Kinder gestürzt werden. Kronos hielt sich für oberschlau und wollte dies verhindern, indem er seinen Nachwuchs direkt nach der Geburt aufaß. (Andere Zeiten, andere Sitten.)
Das mit dem Kinder verschlingen fand Rhea nur so mittel. Fünfmal schaute sie zu, wie Kronos die Babys wegsnackte, aber als ihr Sohn Zeus zur Welt kam, versteckte sie ihn und gab ihrem Bruder beziehungsweise Gemahl stattdessen einen in eine Decke gewickelten Stein. Anscheinend ähneln sich Steine und Götterbabys in Konsistenz und Geschmack, so dass Kronos nichts von der Täuschung merkte. Jahre später tauchte Zeus plötzlich auf, gab seinem Papa beziehungsweise Onkel ordentlich auf die Mütze und wurde der neue Götter-Babo.
Weil sie Kronos nur fünf und nicht alle ihrer Kinder hat aufessen lassen, wurde Rhea als Götter- und Menschenmutter verehrt. Einen Muttertag im modernen Sinn gab es damals allerdings noch nicht. Zumindest ist nicht überliefert, dass Zeus seiner Mama jemals ein Bild gemalt oder den Frühstückstisch gedeckt hat. Vielleicht lag das aber nur daran, dass er Rhea nicht für seine Mutter, sondern für seine Tante hielt, und der musste er ja nichts zum Muttertag schenken. Wenn in deiner Familie jede mit jedem pennt, kannst du schon mal durcheinanderkommen.
Born in the USA: Die Erfindung des Muttertags. Jetzt aber wirklich
Wegen dieser ganzen unappetitlichen Inzucht-, Babykannibalismus- und Vatermord-Dinge eignete sich Rhea nicht so richtig zum Muttertagsgründungsmythos. Dafür aber Ann Maria Jarvis. Fand zumindest ihre Tochter Anna Marie Jarvis.
Vielleicht wundern sie sich, warum Tochter Jarvis fast genauso wie ihre Mutter hieß. Das hat einen einfachen Grund: Anna Marie war das neunte Kind einer methodistischen Großfamilie und irgendwann gingen den Jarvis-Eltern die Namensideen aus. Nach einem 18-stündigen Namensbrainstorming sagte Vadder Jarvis zu seiner Frau: „Ich hab‘ keinen Bock mehr. Lass uns das Gör einfach so wie dich nennen.“ Damit es nicht ganz so peinlich war, ließen sie einen Buchstabe weg, veränderten einen anderen leicht und fertig war die Namens-Laube.
Granvill Jarvis gab ziemlich früh den Löffel ab und Mudder Jarvis hatte die ganzen Plagen allein am Hals. Wobei, machen wir uns nichts vor: Mitte des 19. Jahrhunderts ist eher nicht davon auszugehen, dass Vadder Jarvis eine allzu große Hilfe im Haushalt und bei der Erziehung war. Somit fiel seine Abwesenheit wahrscheinlich gar nicht so sehr auf, außer dass es finanziell etwas knäpplich wurde.
Anna Marie fand ihre Mutti auf jeden Fall super und als diese Anfang Mai 1905 verstarb, wollte sie, dass anlässlich des Todestages ihrer Mutter gleich allen Müttern gedacht wird. Sie lobbyierte für die Einführung eines offiziellen Muttertages und schrieb dafür fleißig Briefe an Politiker, Geschäftsleute, Geistliche und Frauenvereine.
Damit sie endlich Ruhe gab, verabschiedete der US-Kongress 1914 schließlich einen Erlass, dass der zweite Sonntag im Mai als Feiertag als Zeichen der Verehrung von Müttern gelten soll. Präsident Woodrow Wilson unterzeichnete den Wisch sofort, vor allem weil er Angst hatte, auf der Mailing-Liste von Anna Marie zu landen.
Richtig happy wurde Miss Jarvis mit dem Muttertag allerdings nicht. Floristen, Juweliere, Süßwaren- und Grußkartenproduzenten witterten den großen Reibach und schlachteten den mütterlichen Ehrentag kommerziell aus. Das ging Anna Marie Jarvis ziemlich gegen den Strich. Auch weil sie selbst keine Kinder hatte und nie Pralinen und Blumen zum Muttertag geschenkt bekam. Also fuhr sie nun eine Kampagne zur Abschaffung des Muttertags und reichte sogar Klage vor Gericht ein. Sie verlor aber sowohl das Verfahren als auch ihr Hab und Gut.
Später war sie so verarmt, dass sie nicht einmal ihr Altersheim bezahlen konnte. Die Kosten übernahm ein Blumenhändler. Wahrscheinlich mit dem Geld, das er an Muttertag verdient hat. Mehr Ironie des Schicksals geht nicht.
Ehret die Mutter! Die Anfänge des Muttertags in Deutschland
Der Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber dachte sich, wenn in den USA der mütterliche Ehrentag so schön die Kassen klingeln lässt, müsste das in Deutschland doch auch gehen. Deswegen führte er 1923 den Muttertag unter dem Motto „Ehret die Mutter“ ein. Ein Spruch, der mehr nach militärischem Befehl klingt und weniger nach tiefgründiger Liebe zu der Frau, die dich unter Schmerzen zur Welt gebracht hat. Um sich nicht so viele Gedanken machen zu müssen, legten die Blumenhändler den deutschen Muttertag ebenfalls auf den zweiten Sonntag im Mai. Wenn du schon von den Amis klaust, dann gleich richtig.
Die Nazis fanden Mütter auch ganz gut. Nicht prinzipiell, aber zumindest als Gebärmaschinen, denn eine Herrenrasse entsteht ja nicht von allein. Der Muttertag wurde auf den dritten Maisonntag geschoben, für besonders gebärfleißige Frauen das Ehrenkreuz der deutschen Mutter eingeführt und als Sahnehäubchen obendrauf wurde Adolf Hitler in Großfamilien ab dem siebten Kind Patenonkel mit allem Pipapo. Wie scheiße muss es wohl gewesen sein, wenn deine Eltern im Krieg starben und plötzlich war Onkel Adolf dein Oheim.
In der Bundesrepublik verschwand der ganze Reichsmütterdienst- und Ehrenkreuz-Spuk schnell in der Versenkung. Der Muttertag wurde aber weiterhin für gut befunden, denn Schnittblumen verkaufen sich ja auch nicht von allein. Um sich größtmöglich von den Nazi-Schergen abzugrenzen und weil die Floristenverbände sich kreativ wieder einen schmalen Fuß machten, wurde der Muttertag zurück auf den zweiten Sonntag im Mai gelegt.
Die DDR verzichtete ganz auf den Muttertag. Stattdessen wurde nach gutem Zureden der sowjetischen Besatzungsbrüder lieber am 8. März der Internationalen Frauentag gefeiert.
2) Money, money, money: An Muttertag klingeln die Kassen
Der Muttertag ist nicht nur der Tag, um Mütter hochleben zu lassen oder wenigstens um mal wieder die eigene Mutter anzurufen, sondern er hat auch eine große ökonomische Bedeutung. Der Handelsverband Deutschland (HDE) rechnet 2023 für den Muttertag mit „anlassbezogenen Umsätzen“ von mehr als 970 Millionen Euro. Pro Kopf werden ungefähr 17 Euro für Muttertagsgeschenke ausgegeben. Dafür gibt es zwar keinen riesigen Blumenstrauß und nur eine kleine Schachtel Pralinen, aber Geschenk ist Geschenk.
Ganz anders sieht es in den USA aus. Dort liegen die Pro-Kopf-Muttertagsausgaben bei über 270 Dollar. Da müssen Kinder gar nicht erst mit irgendeiner läppischen Bastelscheiße ankommen. Die können sie gleich selbst in die Tonne kloppen. Anschließend ziehen sie dann los und kaufen Blumen und Pralinen im Wert von 270 Dollar.
Weiter zu Teil 2 mit Geschenkideen, Muttertag all over the world und der Zukunft des Muttertags.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)